Hamburg (KNA) Nach Ansicht des französischen Soziologen und Islamwissenschaftlers Gilles Kepel wird der Anschlag auf Polizisten in Paris am Donnerstagabend keine Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahl in Frankreich am Sonntag mehr haben. “Es ist zu spät, um noch irgendetwas zu beeinflussen”, sagte er im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag in Hamburg. “Die Dschihadisten haben das die letzten sieben Monate versucht, aber alle Anschläge wurden vereitelt.” Viele hätten gedacht, dass Frankreich die Geisel dschihadistischer Bewegungen werde und dass die Wahl im Schatten des Terrorismus stattfinde, sagte Kepel. Das sei es, was die Dschihadisten erreichen wollten. Sie wollten eine Spaltung der französischen Gesellschaft, so der Professor am Institut d’Etudes Politiques de Paris. Es gebe einerseits die Tendenz von Akademikern und Linken, vor dem Dschihadismus bewusst die Augen zu verschließen. Den Salafismus nähmen sie nicht als Problem wahr, da sie die Muslime als Opfer sähen und sich mit ihnen solidarisierten. “Auf der anderen Seite gibt es die extreme Rechte, die die Identität Frankreichs bedroht sieht und mit einseitigen Erklärungen Wähler gewinnt. Diese Spaltung wollen die Dschihadisten vorantreiben.” Einen Wahlerfolg der Front-National-Vorsitzenden Marine Le Pen hielte der Autor des Buchs “Der Bruch. Frankreichs gespaltene Gesellschaft” für ein Desaster. “Das wäre ein Erdbeben. Die Übereinkommen, auf denen die französische Gesellschaft beruht, würden zerbrechen. Wir würden in die Zeit des Vichy-Regimes zurückfallen.”
(KNA – rkoml-89-00077)