Von Paula Konersmann (KNA)
Bonn (KNA) Die Warnhinweise auf Zigarettenschachteln werden gern in abgewandelter Form aufgegriffen. “Achtung: dieses Buch gefährdet Ihre Vorurteile”, heißt es zum Beispiel auf dem Cover eines neuen Islam-Lexikons der etwas anderen Art. Unter dem Titel “Der Islam, das Islam, was Islam?” beantwortet der Schriftsteller und Kabarettist Kerim Pamuk nach eigenen Angaben sämtliche Frage zu der Religion, die wie kaum eine andere die Schlagzeilen prägt. Über ein Thema, das ständig – und zumeist problembelegt – präsent sei, brauche es Informationen, sagte der Autor kürzlich der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Mit dieser Überzeugung ist Pamuk nicht allein. In den vergangenen Jahren sind immer wieder Bücher zum Thema erschienen – auch von prominenten Muslimen wie Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland (“Was machen Muslime an Weihnachten?”, C. Bertelsmann, 2016). Nach den Terroranschlägen in Europa, zuletzt auch in Deutschland, hat die IslamDebatte einen neuen Siedepunkt erreicht – vielleicht eine Erklärung für den derzeitigen Boom an Neuerscheinungen.
Und noch etwas fällt auf: Zuletzt kreisten viele Bücher um die Themen Extremismus, Radikalisierung, Terror. Wie und warum sich junge Europäer für einen militanten Islamismus begeistern, wurde aus politischer, theologischer und psychologischer Sicht beleuchtet. Die Autoren der aktuell erscheinenden Bände sind gewissermaßen einen Schritt zurückgetreten, um den Islam ohne Vorurteile zu beschreiben.
Ein schwieriges Unterfangen, weiß Omar Saif Ghobash. Die Generation seiner Söhne solle nachdenken und selbst entscheiden, “was falsch und was richtig ist, was islamisch ist und was unseren Glauben nur am Rande berührt”, schreibt er. Aus diesem Grund hat er seinen beiden Söhnen Briefe geschrieben, die nun in Buchform unter dem Titel “Es gibt keinen Grund zu hassen” erschienen sind. Manchmal fallen sie augenzwinkernd aus – etwa wenn der Diplomat aus den Vereinigten Arabischen Emiraten bekennt, dass ihn die Vorstellung, seine Söhne könnten nach Syrien in den Krieg ziehen, “ein klein wenig panisch” mache.
Doch gleich darauf skizziert der Autor die Gedankenwelt derer, die sich tatsächlich radikalisieren: “Du glaubst, die Welt habe die Syrer einfach ihrem Schicksal überlassen”, schreibt Saif Ghobash, der als Akademischer Beirat am renommierten International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence (ICSR) in London tätig ist. “Du scheinst der Einzige zu sein, der noch ein Fünkchen Moral im Leib hat, der Einzige, der den Unterschied zwischen Richtig und Falsch, Gut und Böse kennt.”
Dieser Mix aus literarisch-essayistischem Stil und direkter Ansprache erinnert an den marrokanischfranzösischen Autor Tahar Ben Jelloun. Die verschriftlichten Gespräche mit seiner Tochter wurden internationale Bestseller; zuletzt erschien von ihm “Papa, was ist ein Terrorist?” (Berlin Verlag, 2016). Beide Autoren sind zudem ähnlich klar in ihrer Haltung. So betont Saif Ghobash: “Der SchwarzWeiß-Islam ist nicht der einzige Islam, den ihr leben könnt.”
Sachlich-historisch ist die “Illustrierte Geschichte des Islam” von Monika Tworuschka und Udo Tworuschka orientiert. Der Band kommt aber keineswegs trocken daher. Neben ausdrucksstarken Fotos und Gemälden werden die Texte mit Infokästen und Zitaten aufgelockert. So eignet sich das Buch zum Stöbern für Neugierige und als Nachschlagewerk für Leser, die einzelne Fragen vertiefen wollen – zu durchaus anspruchsvollen Themen wie dem islamischen Recht oder dem Nahost-Konflikt.
Viele Menschen seien daran tatsächlich interessiert, meint Kabarettist Pamuk – auch wenn “Islam” für andere eher zu einem Kampfbegriff geworden sei. Wenn ständig über “den Islam” gesprochen werde, sei es hilfreich zu wissen, was diese Religion überhaupt ausmache. Dazu gehören in Pamuks Lexikon neben ernsthaften Stichworten wie “Fatwa” oder “Märtyrer” auch alltagsnahe Einträge zum “Döner” oder zum “Fußball”. Das Interesse der Leser beobachten die Verlage offenbar ebenfalls: So erscheint im Sommer bereits die sechste Auflage des “Kleinen Islam-Lexikons” bei C.H. Beck.
(KNA – rknlo-89-00182)