Von Inga Kilian und Alexander Brüggemann (KNA) Bonn/Kairo (KNA) Schon wieder ein schwerer Anschlag auf koptische Christen in Ägypten. Terroristen beschossen am Freitag einen Bus mit koptischen Christen. Sie waren unterwegs zum Kloster Anba Samuel in der Provinz Al-Minja, einer Hochburg der Kopten 250 Kilometer südlich von Kairo. Die erste Bilanz: Mindestens 26 Tote, mindestens zwei Dutzend teils Schwerverletzte.
Das Ziel offenbar: keine Stabilität im Land zuzulassen. Die letzte Anschlagsserie liegt noch keine zwei Monate zurück: Am Palmsonntag starben bei Anschlägen auf zwei koptische Kirchen in Alexandria und Tanta insgesamt 45 Menschen. Eine der Attacken traf das Zentrum der christlichen Gemeinschaft – eine Kapelle direkt neben der MarkusKathedrale, dem wichtigsten Gotteshaus der Kopten in Ägypten und Sitz des koptischen Papstes Tawadros II. Bereits in den vergangenen Jahren gab es immer wieder Angriffe auf die Kopten in Ägypten.
In der Silvesternacht 2010 starben bei einem Attentat auf eine Kirche in Alexandria mehr als 20 Menschen. Nach dem Putsch gegen die Muslimbrüder im Sommer 2013, den die koptische Führung unterstützte, brannten deren Anhänger Kirchen nieder. Die Kopten sind die größte christliche Gemeinschaft in Ägypten. Sie führen ihre Anfänge auf den Evangelisten Markus zurück. Realistische Angaben über Mitgliederzahlen schwanken zwischen 7 und 10 Millionen unter den insgesamt rund 80 Millionen Einwohnern Ägyptens. Etwa eine weitere halbe Million Kopten lebt in anderen Ländern, davon schätzungsweise 6.000 in Deutschland.
Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche ist seit 2012 Papst-Patriarch Tawadros II. von Alexandrien (64). Das Verhältnis zwischen den Kopten und dem ägyptischen Staat gilt als schwierig. Einerseits erhoffen sie sich von der offiziell säkularen Führung Schutz vor Islamisten, die immer wieder Angriffe verüben; andererseits fühlen sich die Christen vom Staat weithin vernachlässigt und diskriminiert.
Noch vor Weihnachten hatte es endlich Anzeichen für eine Entspannung der Lage gegeben. Präsident Abdel Fattah al-Sisi schien bemüht, den Kopten entgegenzukommen. So forderte er etwa nach Ausschreitungen gegen Christen in Oberägypten im Juli ausdrücklich die gesetzmäßige Bestrafung der Täter, besuchte die Markus-Kathedrale in Kairo und kritisierte extremistische Tendenzen an der Al-Azhar-Universität. Auch der koptisch-orthodoxe Papst Tawadros II. äußerte sich damals vorsichtig optimistisch zur Zukunft der Christen in Ägypten.
Die Zusammenarbeit mit Präsident, Regierung und Parlament verbessere sich. Tawadros verwies etwa auf ein neues Gesetz über den Kirchenbau, das ein grundsätzliches Recht der Christen auf Gotteshäuser festschreibt. Zeichen einer neuen Stabilität, die muslimischen Extremisten nicht passten. Dabei beschreibt Tawadros II. die ägyptischen Muslime als eher moderat; Aggression und Gewalt gegen andere Religionen lägen ihnen eigentlich fern. Das Problem sieht er vielmehr in manchen Golfstaaten angesiedelt: Viele Ägypter gingen als Arbeitsmigranten in jene Länder und kämen nach Jahren “mit viel Geld, aber auch gewaltbereit und mit extremistischem Gedankengut” zurück.
Ende April, wenige Wochen nach den tödlichen Anschlägen von Tanta und Alexandria, reiste Papst Franziskus nach Ägypten und warb dort einmal mehr für Brüderlichkeit unter den Religionen. Eine Geste, ein Hoffnungszeichen – das jedoch im Anblick der neuen Bluttat verblasst. Auch diesmal wird unter den Kopten neben Trauer wieder Wut auf die Regierung und ein Versagen der Sicherheitskräfte vorherrschen. Schon zu Ostern forderten Demonstranten den Rücktritt von Prä- sident Al-Sisi, dem es nicht gelinge, die Christen im Land zu schützen. Ägypten werde aus dieser Situation “geeinter und stärker hervorgehen”, sagte der Präsident damals. Daran haben zumindest die Kopten immer mehr Zweifel.
(KNA – rklpq-89-00123)