Berlin (KNA) Der Islam muss sich nach den Worten des UN-Sonderbeauftragten für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, dem Problem der Gewalt stellen. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) warnte er am Freitag in Nürnberg zugleich vor vereinfachenden Erklärungen, die die Gewalt aus dem Wesen der Religion herleiten wollten. Er betonte, dass die Gläubigen selbst Mitverantwortung dafür trügen, “welche Züge einer Religion dominieren”. Der interreligiöse Dialog könne dazu beitragen, die Kräfte der Vernunft, der Mäßigung und der Offenherzigkeit zu stützen.
Mit Blick auf das Verhältnis von Islam und Gewalt warnte er “vor zwei allzu schlichten Formeln”. Die erste laute: “Das hat gar nichts mit dem Islam zu tun.” Auch wenn er verstehen könne, “dass viele Muslime in den blutigen Eskapaden, die uns derzeit heimsuchen, nicht einmal eine böse Karikatur ihrer Religion erkennen können”, sei diese Formel letztlich zu simpel. “Die Religion wird nicht nur von außen missbraucht oder politisch manipuliert. Auch aus dem Binnenraum der Religionen könne sich ein gewalttätiges Machtgebaren entwickeln”, so Bielefeldt. “Dem müssen wir uns stellen”.
Die andere schlichte Formel laute: “Die Gewalt ergibt sich aus dem Wesen der Religion. Man müsse angeblich nur den Koran aufschlagen.” Eine solche Zuschreibung führe letztlich zum Fatalismus, “und das ist das Letzte, was wir brauchen”, warnte der Experte. Entscheidend sei, wie Religion in Gesellschaften gelebt werde.
Den immer wieder erhobenen Vorwurf islamischer Staaten, westliche Nationen missachteten die Religionsfreiheit, weil sie angeblich Diffamierungen gegen den Islam nicht ahndeten, wies der UN-Berichterstatter zurück. “Hinter diesem Vorwurf verbirgt sich ein fundamentales Missverständnis: Die Religionsfreiheit schützt nicht die Ehre der Religion, sondern die Freiheit der Menschen”. Dazu zähl-ten auch die Freiheit zur Religionskritik und zum Religionswechsel. Das Recht auf Glaubenswechsel sei ein Test, ob überhaupt von echter Religionsfreiheit die Rede sein könne. “In vielen Staaten wird die Antwort Nein lauten”, so Bielefeldt.
(KNA – qkrmt-89-00053)