Ein kleiner Kirchentag an einem Abend. Die “Lange Nacht der Weltreligionen” im Hamburger Thalia-Theater

Von Frank Berno Timm (KNA) Hamburg (KNA) Das Hamburger Thalia-Theater stand am Donnerstag während seiner jährlichen Lessing-Tage ganz im Zeichen des Reformationsgedenkens. Zum achten Mal fand die sehr gut besuchte “Lange Nacht der Weltreligionen” statt. Sie stand unter dem Motto “Reformation und Rebellion”. Das Konzept für die dreistündige Veranstaltung stammte von Dorothea Grießbach und Susanne Meister, zu den Akteuren des Abends gehörten neben dem Thalia-Ensemble die Hamburger Bischö- fin Kirsten Fehrs und der katholische Erzbischof Stefan Heße. Veranstalter war gemeinsam mit dem Theater die Akademie der Weltreligionen an der Universität Hamburg. Dass die Atmosphäre im Theater ein wenig an Kirchentag erinnerte, mag kein Zufall gewesen sein. Solche Assoziationen weckte nicht nur die sich im Laufe des Abends auflösende Mauer aus Pappkartons auf der Hauptbühne (Ausstattung: Ute Radler). Auch die Vielfalt aus Lesungen, Musik, Diskussionen und Mitmachaktionen erinnerte an die Glaubenstreffen. Es drängte sich zudem der Eindruck auf, dass von den Anwesenden niemand von der Wichtigkeit eines gemeinsamen Handelns der Religionen und Konfessionen noch wirklich überzeugt werden musste. Die Ökumene stand im Raum. Auch dass die Veranstaltung zur rechten Zeit kam, wurde gleich mehrfach deutlich. In der Hamburger Bürgerschaft war tags zuvor darüber diskutiert worden, ob die Staatsverträge Hamburgs mit den Islamverbänden aufgelöst werden sollen. Fehrs nannte diese Diskussion “wirklich furchtbar”; ihr katholischer Kollege Heße machte darauf aufmerksam, dass die Mehrheit der Hamburger religiös nicht gebunden sei. Und er wolle die Menschen anderen Glaubens einfach kennenlernen: “Ich will sie gar nicht alle bekehren”, so der Erzbischof. Bischöfin Fehrs öffnete noch andere Horizonte. Menschlichkeit kenne keine Obergrenze, sagte sie. Es sei an der Zeit, gewaltlos rebellisch zu werden. Mit Blick auf die Demonstrationen gegen den neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump betonte die Bischöfin, es sei Zeit, sich in diese einzureihen. Die Diskussionen und Gespräche des Abends waren eingebettet in Lesungen vom Ensemble des Hauses. Zu hören gab es etwa Martin Luthers “Von der Freiheit eines Christenmenschen”, Franz Kafkas Brief an seinen Vater, Carolin Emckes Friedenspreisrede von 2016, außerdem Texte aus der Bibel, von Schriftstellern wie Elias Canetti oder Zeitzeugen wie Alfred Delp. Die Öffnung in die Weltreligionen lieferte eine Videoinstallation (Grießbach) mit Gesprächsausschnitten von Theologen verschiedenster Konfessionen und Religionen. Und es kamen hochaktuelle Probleme zur Sprache an diesem Abend: Hamida Behr, Pädagogin und Expertin für Islam, Frieden sowie Konflikt und Bildung, forderte eine Auseinandersetzung über das Für und Wider der Kirchensteuern. Gerrit Spallek vom Institut für katholische Theologie an der Uni Hamburg verwies auf Nöte und Chancen der Diaspora – also des Lebens einer Glaubensgemeinschaft in einer Minderheitensituation. Welche Beschränkungen im Alltag es für bestimmte Glaubensgruppen immer noch gibt, machte eine Zuschauerin deutlich, die Turban oder Kopftuch trägt und deshalb nicht Polizistin werden konnte. Bei der Freiwilligen Feuerwehr sei sie allerdings akzeptiert worden, fügte sie hinzu. “Unsere Gesellschaft muss sich daran gewöhnen, dass hier Menschen leben, die verschiedene Kleidung tragen”, unterstrich der jüdische Theologe Isak Aavestad. Die unterschiedlichen Angebote in den Räumen des Theaters waren teilweise völlig überlaufen. Das Spektrum reichte von einem Gesangsworkshop mit Luther-Chorälen über eine Theaterperformance zu Max Weber bis zu der Möglichkeit, in Erinnerung an Luthers Anschlag der 95 Thesen eigene zu formulieren. Die Lessing-Tage dauern noch bis Sonntag.

(KNA – rkmkn-89-00121)