Lage der Christen in Ägypten vor dem Papstbesuch

Von Thomas Winkel (KNA) Kairo/Vatikanstadt (KNA) Vermutlich ist es eine der heikelsten Reisen seines Pontifikats: Am Freitag und Samstag kommt Papst Franziskus nach Kairo – keine drei Wochen nach dem Blutbad in zwei Kirchen des Landes. Bei dem Besuch geht es auch um die Frage: Kann islamistischer Terror das meist entspannte Zusammenleben von Christen und der muslimischen Mehrheit am Nil torpedieren?

Genau dieses Dialog-Feld möchte der Oberhirte aus Rom symbolträchtig beackern. Das offizielle Logo spricht Bände: Es zeigt Kreuz und Halbmond über Pyramiden, daneben Franziskus und eine weiße Taube. “Papst des Friedens im Ägypten des Friedens” lautet denn auch das Motto der Reise. Ein frommer Wunsch. Nach den Attentaten auf Christen hat das Auswärtige Amt seine Reisewarnung verschärft: “Es besteht landesweit ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge.” Vorbei die Zeit, als Ägypten für viele Deutsche ein Urlauber- und Taucherparadies war. Nun raten die Sicherheitsleute, Menschenmengen “unbedingt” zu meiden – insbesondere an religiösen Stätten oder Universitäten. Wie Al-Azhar.

Franziskus wird diese angesehene islamische Uni besuchen, mit Großimam Ahmed Mohammed alTayyeb sprechen und an einer hochkarätig besetzten Friedenskonferenz teilnehmen. Doch aus Sicherheitsgründen stehen mehrere Termine ohne jede Ortsangabe im Programm, etwa: 10 Uhr Heilige Messe, 12.15 Uhr Mittagessen mit Bischöfen. Insgesamt aber hält der Papst am geplanten Ablauf fest, ungeachtet der Anschläge und des herrschenden Ausnahmezustands.

Denn das Kalkül der IS-Terrormiliz soll nicht aufgehen, die Angst schüren und das Miteinander der Religionen in ein Gegeneinander verwandeln will. Kairo tue alles für die Sicherheit, betonen unisono Vertreter des Landes und des Vatikan. Beim Papstbesuch gebe es “überhaupt keine Gefahr”, versichert Badr Abdelatty, Ägyptens Botschafter in Deutschland, vollmundig. Und Kurienerzbischof Giovanni Angelo Becciu ergänzt: “Wir fahren entspannt.” Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schlenderte Anfang des Jahres tiefenentspannt durch die Markus-Kathedrale in Kairo – und lobte die dortige Religionspolitik als “beispielhaft”. Doch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), missio und andere Menschenrechtler zeichnen ein düsteres Bild. Sie kritisieren anhaltende Gewalt gegen die christliche Minderheit, sogar in Gottesdiensten. Vor Weihnachten kamen bei einem Attentat in einer Kirche 27 Menschen ums Leben, kurz vor Ostern dann der Doppelanschlag mit mindestens 44 Toten. In Ägypten gingen die Polizisten vor Kirchen ihrer Arbeit nicht konsequent genug nach, kritisiert der koptisch-orthodoxe Bischof in Deutschland, Anba Damian. Christen würden “wie Insekten behandelt”.

Rund zehn Prozent der knapp 95 Millionen Einwohner sind Christen, meist Mitglieder der koptisch-orthodoxen Kirche. Nur unter strengen Vorschriften dürfen sie ihren Glauben ausüben. Ob im dritten Amtsjahr von Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi Religionsfreiheit herrscht, bleibt umstritten. Zwar bemüht er sich, die Lage für Nicht-Muslime zu verbessern und geht auch bei Trauerfeiern demonstrativ auf Christen zu. Doch die Verfassung von 2014 nennt (bei aller religiösen Freiheit) den Islam als Staatsreligion und die Scharia als Hauptquelle der Rechtsprechung. Botschafter Abdelatty bezeichnete im KNA-Interview Franziskus als “großartige Person”.

Sein Besuch in Ägypten werde den Dialog zwischen Islam und Christentum weiter vertiefen. Doch das liegt nicht allein in der Hand des Papstes. Angesichts des Terrors formuliert Kardinal Reinhard Marx den Wunsch, dass “Muslime und Christen gemeinsam sagen: Niemals Gewalt im Namen Gottes”.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz im Deutschlandfunk wörtlich: “Es ist keine Frage, dass sich diese Terroristen auf den Islam berufen.” Daher müssten muslimische Verantwortliche “mit dafür sorgen, dass das nicht möglich ist”. Unterdrückte Christen stärken, auf friedvolle Muslime zugehen und islamistischen Terroristen trotzen – für Papst Franziskus dürften die Tage in Kairo alles andere werden als ein Kurzurlaub. Trotz Sonnenscheins und 30 Grad, die ihn dort erwarten.

(KNA – rkolm-89-00170)