Verfassungsrichter Kirchhof: Kein Zwang zur Integration

Berlin (KNA) Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, hält staatliche Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung von Integration für rechtlich nicht möglich.

Bei einer Podiumsdiskussion in Berlin sagte Kirchhof am Donnerstagabend, er bedauere die zunehmende Ghettoisierung vieler Muslime in Deutschland. Der Staat könne aber religiöse und kulturelle Überzeugungen nicht anordnen. Er könne auch nicht in das religiöse Erziehungsrecht der Eltern eingreifen, das vom Grundgesetz geschützt sei. Dazu zähle auch, wenn Eltern ihre Kinder zur Verschleierung zwingen. Religiös motivierte Verschleierung in der Öffentlichkeit könne das Recht in Deutschland nicht verbieten, erklärte der Verfassungsrichter.

Es gebe aber Ausnahmen, etwa bei Schulprüfungen oder bei Aussagen vor Gericht, weil es dort um konkurrierende Rechtsgüter gehe. Statt auf Verbote und Strafen zu setzen, müsse der Staat geduldig für seine Werte und Ideale werben. Auch wenn das Recht auf Religionsfreiheit missbraucht werde, müsse es in einer freiheitlichen Demokratie hochgehalten werden. Die aus Istanbul stammende Soziologin Necla Kelek kritisierte bei derselben Veranstaltung, dass der Staat tatenlos zusehe, wie ein immer konservativerer und immer totalitärerer Islam seinen Einfluss auf die Muslime in Deutschland verstärke.

Die Bonner Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher forderte, die Ausbildung der Imame in Deutschland unter staatliche Aufsicht zu stellen. Die Illusion einer von selbst gelingenden Integration sei nicht mehr haltbar. Die Diskutanten äußerten sich bei einer Veranstaltung der Bayerischen Vertretung in Berlin mit dem Titel “Politischer Islam und Grundgesetz – müssen wir die Religionsfreiheit in Deutschland neu denken?”

(KNA – rkqkl-89-00218)