Rettungskräfte wollen bei Anschlägen besser vorbereitet sein

Würzburg (KNA) “Wenn ein Alarm mit unklarer Einsatzlage kommt, denkt man jetzt: Hat das was mit Terror zu tun?”

Lorenz Böck ist ehrenamtlich Leiter eines Sanitätszugs beim Malteser Hilfsdienst in Würzburg. Auch am Abend des 18. Juli 2016 ging bei dem heute 27-jährigen Böck der Alarm los – an dem Abend, an dem das Sicherheitsgefühl der Deutschen nachhaltig erschüttert wird und der auch die Rettungskräfte vor neue Herausforderungen stellt. Ein 17-jähriger Afghane war mit Beil und Messer auf Reisende in einem Regionalzug losgegangen.

Er hatte Kontakt zur Terrorgruppe “Islamischer Staat” (IS). Knapp eine Woche später sprengt sich ein weiterer, 27-jähriger IS-Sympathisant am Rande eines Musikfestivals in Ansbach in die Luft und stirbt dabei, 15 Menschen werden verletzt, zwei Tage nach dem Amoklauf von München mit 10 Toten. “Man hat relativ lange nicht gewusst, was genau passiert ist”, erinnert sich Böck an den 18. Juli. In der Regionalbahn 58130 auf der Strecke von Treuchtlingen nach Würzburg habe etwa um 21.15 Uhr ein Mann zwischen Winterhausen und Würzburg-Süd Personen angegriffen. Im Bereich des Stadtteils Heidingsfeld habe ein Reisender die Notbremse gezogen. Das wusste man. Das Bekennervideo des Täters, die selbstgemalte IS-Flagge in seinem Zimmer bei seiner Pflegefamilie, der Ruf “Allahu akbar” (“Gott ist groß”), seine Attacke auf eine Spaziergängerin in dem Stadtteil und dann auf Polizisten, die ihn erschossen – all das wird erst später deutlich. Der Generalbundesanwalt übernimmt die Ermittlungen.

Die fünf Schwerverletzten, darunter vier Familienmitglieder einer Touristengruppe aus Hongkong, leiden noch unter den Spätfolgen des Attentats, zumindest psychisch. Auch die Hilfskräfte müssen das Erlebte verarbeiten. Immer noch werde regelmäßig über den 18. Juli geredet, berichtet Böck. Dabei erinnert er sich auch an die Dankbarkeit der anderen Passagiere des Regionalzugs, die er zusammen mit seinem Team in der Würzburger S.Oliver-Arena zu versorgen hatte. Böck denkt auch immer wieder über den Terror nach, wenn er Sanitätsdienste für Veranstaltungen plant. Aus dem Terror-Einsatz wollen die Rettungskräfte lernen. Zusammen mit der Universität Würzburg, den Notärzten und der Integrierten Leitstelle haben Malteser Hilfsdienst, Johanniter und Bayerisches Rotes Kreuz eine wissenschaftliche Studie angestoßen, wie es sie bisher in Europa noch nicht gegeben hat, wie Paul Justice, der Geschäftsführer des Rettungszweckverbands Würzburg, berichtet.  Ziel der Zusammenarbeit mit dem zwölfköpfigen Team rund um Professor Thomas Wurmb sei es, eine “Würzburger Checkliste” zu erstellen. Dies sei Pionierarbeit.

Wichtig sei, die Kommunikation zwischen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst auf eine “sichere Bühne” zu stellen, erklärt Justice: “Wo ist es sicher, wie schaffen wir es, die Patienten aus dem Gefahrenbereich zu bekommen?” Ein echtes “rotes Telefon” steht nun in der Einsatzzentrale der Polizeidirektion Unterfranken, ebenso in den drei Integrierten Leitstellen für Feuerwehr und Rettungsdienst. So soll eine direkte Kommunikation mit klaren Ansprechpartnern möglich sein. Das alles soll helfen, den Rettungskräften ein höheres Sicherheitsgefühl zu geben. “Okay, wir haben eine Strategie und sind höchstmöglich geschützt”, diesen Eindruck wünscht sich Justice bei vergleichbaren Einsätzen. Lorenz Böck sagt, für ihn ist es seit dem 18. Juli viel wichtiger, möglichst früh exakte Einsatzinformationen zu bekommen, wenn der Piepser geht. Denn nur dann könne er seine Helfer so unterrichten, dass sie entscheiden können: “Fahre ich mit raus oder nicht”.

(KNA – rkrlq-89-00022)