Münster (KNA) Der frühere UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, hält es nach eigenem Bekunden für eine “riesengroße Illusion”, dass eine Welt ohne Religionen eine bessere wäre.
Religionen machten “menschliches Leben interessant, manchmal auch kompliziert”, sagte der Erlanger Professor für Menschenrechte im Interview der Bistumszeitung “Kirche+Leben” (Sonntag) in Münster. Wer auf eine religionsfreie Welt abziele, werde den Menschen nicht gerecht. Die Ursache für viele der derzeitigen Konflikte in der Welt seien zwar auch religiöser Natur, “aber nie nur religiöser Natur”, so Bielefeldt. “Im Nahen Osten ist es offenkundig, dass dort Religion eine sehr große Rolle spielt.
Aber zu meinen, man könne den Konflikt nach religiösen oder konfessionellen Ursachen beschreiben, führt in die Irre.” Schon der Dreißigjährige Krieg sei nie ein reiner Religionskrieg gewesen. Um die Konflikte zu lösen, müsse man sich die vielschichtigen Ursachen klar machen, sagte Bielefeldt. Der Nordirland-Konflikt lasse sich nicht auf die Zentralafrikanische Republik übertragen. Wenn es um Gewalt an Lesben und Schwulen in Uganda oder Malaysia gehe, dann sei das wiederum etwas anderes als der Terror des sogenannten Islamischen Staats (IS). Religionen könnten friedensstiftend wirken, so der Wissenschaftler. Voraussetzung sei, dass ihre Vertreter einander zuhörten. “Wenn man konkrete Stimmen hört und Augen sieht, dann ist dies das beste Gegenmittel dagegen, dass eine abstrakte Feind- oder Angstpropaganda einfach den Durchmarsch macht.”
Auch interreligiöse Gespräche trügen zum Frieden bei, so Bielefeldt mit Blick auf das Weltfriedenstreffen in Münster und Osnabrück vom 10. bis 12. September. Allerdings müssten Religionsführer sich Zeit nehmen. “Die kurze Begegnung, der große Fototermin: Das bringt nichts.” Es müsse ein Klima herrschen, in dem alle die Chance hätten, sich zu artikulieren. Bielefeldt warnte vor unrealistischen Zielvorstellungen.
Es spreche viel dafür, sich eher praktischen Themen zu widmen. Zum 31. Weltfriedenstreffen der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio werden mehrere tausend Teilnehmer in Münster und Osnabrück erwartet. Hinzu kommen Hunderte Vertreter von Kirchen und Religionen aus aller Welt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will auf der Eröffnungsveranstaltung in Münster sprechen. Im Mittelpunkt der Veranstaltungen stehen die Themen Flucht, Armut, Gerechtigkeit und Umweltschutz.
(KNA – rktkl-89-00115)