Naypyidaw (KNA) Nach langem und vielkritisiertem Schweigen hat sich Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi am Dienstag erstmals öffentlich zur Gewalt gegen die muslimische Minderheit der Rohingya in Myanmar geäußert.
In einer mit Spannung erwarteten und live übertragenen Rede vor dem diplomatischen Corps in der Hauptstadt Naypyidaw bat die Staatsrätin, die de facto die Regierung leitet, die internationale Gemeinschaft um Hilfe beim “Aufbau einer sicheren Zukunft und gemeinsamen Problemlösung” im Land. Dazu werde man auch ausländische Beobachter ins Land lassen. Die Reaktionen auf die Rede fielen zwiespältig aus. “Wir wollen Frieden statt Krieg, wir wollen Harmonie statt Konflikten”, betonte Aung San Suu Kyi. Myanmar dürfe nicht wegen verschiedener Religionen gespalten sein.
Ihre Aussagen zum aktuellen Konflikt blieben eher vage. Sie kritisierte zwar “Menschenrechtsverletzungen”, betonte aber zugleich, es gebe hier “Vorwürfe und Gegenvorwürfe”. Indirekt wiederholte Aung San Suu Kyi bereits früher erhobene Beschuldigungen ihrer Regierung und der Armee an die Rohingya, selbst verantwortlich zu sein für ihre Situation. Außerdem warf sie Medien und Menschenrechtsorganisationen vor, den Konflikt in der Region Rakhine zu übertreiben und falsch darzustellen. 50 Prozent der Dörfer der Muslime in Rakhine seien “intakt”. Über die Flucht von 400.000 Rohingya seit der Eskalation der Gewalt im August nach Bangladesch sagte sie lediglich, man müsse die “Gründe für den Exodus” untersuchen: “Wir sollten mit denen sprechen, die geflüchtet sind und mit denen, die geblieben sind. Ich denke, man weiß zu wenig darüber, warum eine große Mehrheit der Muslime in Rakhine sich nicht dem Exodus angeschlossen hat.” Den Flüchtlingen stellte sie eine Rückkehr auf der Basis einer Vereinbarung mit Bangladesch aus dem Jahr 1993 in Aussicht.
Erste Reaktionen auf die Rede fielen zwiespältig aus. Auf Facebook priesen überzeugte Anhänger mit Postings wie “Gut gemacht, Mutter Suu” ihr Idol. Dagegen sagte der Direktor des unabhängigen Tampadipa Instituts zur Stärkung der Zivilgesellschaft, Khin Zaw Win, der Katholischen NachrichtenAgentur (KNA): “Im Großen und Ganzen war die Rede unangemessen. Das meiste war Zeug, das man schon aus den staatlichen Zeitungen kannte.” Der Chefredakteur der Nachrichtenagentur der Rohingya “Kaladan Presse Network”, Tin Soe, bewertete die angekündigte Rückkehroption für die Flüchtlinge skeptisch. Gemäß der Vereinbarung von 1993 müssten rückkehrwillige Rohingya mit Dokumenten nachweisen, dass sie sich in Myanmar aufgehalten hatten, doch “die meisten Flüchtlinge sind nur mit dem, was sie am Leib trugen, geflüchtet. Sie haben keine Papiere”, sagte er der KNA.
Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz von Myanmar, Kardinal Charles Bo, macht eine “international wachsende Islamphobie” als einen Grund für die Gewalt gegen die muslimische Minderheit der Rohingya aus. Die Behandlung der Rohingya sei eine “große Tragödie”, zitierte die britische Zeitung “The Tablet” am Dienstag den Erzbischof von Yangon.
(KNA – rktlt-89-00145)