Hamburg/Tübingen (KNA) Die Tübinger Dogmatikerin Johanna Rahner sieht in der Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Tübingen ein Vorbild für den Umgang mit dem Islam.
Vor 200 Jahren habe der württembergische König Wilhelm I. die Kirche verpflichtet, die Ausbildung der Priester an die staatliche Universität Tübingen zu verlagern, schreibt die Dekanin in einem Gastbeitrag für die “Zeit” (Donnerstag). “Sein Ziel: Die Ausbildung des Klerus sollte vom Muff des katholischen Milieus befreit werden und die frische Luft der Aufklärung atmen. So verdonnerte er den Katholizismus zu einer zeitgemäßen Art der Glaubensvermittlung, um die heute auch der Islam ringt: eine Theologie, die der intellektuellen Kontrolle und dem Legitimitätsdiskurs der Wissenschaften ausgesetzt ist.” Das sei für die katholischen Theologen “nicht nur schön” gewesen, schreibt Rahner. “Sie wurden mit Skepsis, Misstrauen und oft auch Häme bedacht.
Aber der Schritt ins Freie war unvermeidlich, und er ist es heute wieder, da die islamische Theologie sich in der deutschen Universitätslandschaft etabliert.” Religion dürfe sich der Gegenwart nicht verweigern. Zugleich müsse der säkulare Staat einer Radikalisierung des Glaubens vorbeugen, indem er wissenschaftlich geschultes Seelsorge-Personal ausbilde: “Der Islam gehört an die Universität!” Zu Recht würden Religionsgemeinschaften “im spätmodernen Identitätsdiskurs” daran gemessen, ob ihre Gläubigen tolerant seien, so die Theologin. Im Zentrum stehe die Frage, ob die Gemeinschaften konkurrierende Wahrheitsansprüche akzeptieren – “und zwar nicht zähneknirschend”. Ein säkular geprägtes, religiös und kulturell vielfältiges, freiheitliches Staatsgebilde wie die Bundesrepublik habe ein Recht auf eine aufgeklärte Theologie. “Und nur dieser Staat garantiert das Recht der Religion auf Selbstaufklärung – aus ihren eigenen Ressourcen heraus.”
Die Katholisch-Theologische Fakultät der Uni Tübingen feiert kommende Woche ihr 200-jähriges Bestehen. Hier lehrten unter anderen Johann Adam Möhler, Walter Kasper, Hans Küng und Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. Zugleich ist Tübingen einer von fünf Hochschul Standorten für Islamische Theologie. Das dortige Zentrum gehört zum “Campus der Theologien”, einer in dieser Form einzigartigen Lerngemeinschaft in Deutschlands Uni-Landschaft.
(KNA – skllk-89-00076)