Brüssel/Berlin (KNA) Politiker diskutieren weiter über den diplomatischen Umgang mit der Türkei nach dem Putschversuch. Die Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag, Cemile Giousouf (CDU), will der Türkei beim Thema Visa-Liberalisierung weiterhin entgegenkommen. “Die Visafreiheit ist gekoppelt an das Flüchtlingsabkommen. Es geht da auch nicht darum, der türkischen Regierung zu helfen, sondern den Flüchtlingen”, sagte Giousouf der “Welt” (Dienstag).
Die Vereinbarung mit der Türkei müsse aufrechterhalten werden, weil sie Leben rette. Zudem würde der Verzicht auf Visafreiheit nach Einschätzung der Politikerin nur das Volk treffen. Giousouf erwar-tet, dass viele moderate Türken nach Deutschland ins Exil gehen werden. “Vieles wird davon abhän-gen, wie die ersten Gerichtsverfahren laufen. Kommt es hier zu Unrechtsurteilen, dann erwarte ich eine Auswanderungswelle.” Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) betonte hingegen, eine Gewährung der Visafreiheit komme derzeit nicht infrage. “Die Visa-Befreiung gibt es dann, wenn die damit verknüpften Bedingungen erfüllt sind. Das ist derzeit noch nicht der Fall”, sagte Steinmeier der “Bild”-Zeitung.
Der EU-Politiker Alexander Graf Lambsdorff (FDP) forderte unterdessen den Stopp der Beitrittsver-handlungen mit der Türkei. Das Ende der Gespräche “wäre hilfreich für den europäischen Gedan-ken”, sagte der Vize-Präsident des EU-Parlaments den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Lambs-dorff betonte zudem, der umstrittene Flüchtlingspakt mit der EU tauge für Ankara kaum als Druckmit-tel. Es gebe “nach wie vor Interesse auf beiden Seiten, den Flüchtlingspakt einzuhalten”. Ankara hat-te gedroht, die Vereinbarung zu beenden, wenn die EU türkische Bürger nicht von der Visumspflicht befreie.
Die katholische Theologin Dorothea Sattler thematisierte unterdessen die Diskussion um die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei. Wenn dadurch die Verhandlungsbasis für einen EU-Beitritt nicht mehr gegeben sei, seien auch Wirtschaftsbeziehungen zu Ländern wie China oder den USA hinterfragen, sagte sie dem Internetportal katholisch.de. Grundsätzlich kämen für die Anwendung der Todesstrafe nur zwei Begründungen in Betracht: die Bestrafung eines Tötungsdelikt mit dem Tod oder die Absicht der Abschreckung. Studien hätten jedoch gezeigt, dass die abschreckende Wirkung von Hinrichtungen sehr gering sei.
(KNA – qkskt-89-00102)