Düsseldorf (KNA) Die Vorbeugung gegen den radikalen Salafismus in Deutschland ist nach Ansicht
des Osnabrücker Islamwissenschaftlers Michael Kiefer völlig unzureichend. Bisher sei in keinem
Bundesland eine “ganzheitliche Präventionsstrategie” erkennbar, erklärte er am Donnerstag bei einer
Anhörung des Innenausschusses im nordrhein-westfälischen Landtag. Vor allem fehle es an einer
flächendeckenden Einbindung der Schulen bei der Aufklärung über den Islamismus. Notwendig sei
auch eine fachkundige Betreuung von Jugendlichen, die in den Salafismus abgerutscht sind.
Der Wissensstand über die salafistischen Radikalisierungsformen sei nicht auf der Höhe der Zeit,
kritisierte Kiefer. Die Wissenschaft habe bisher keine klaren Erkenntnisse darüber, welche Faktoren
für den Zulauf zu den Salafisten “bedeutsam oder weniger bedeutsam” seien. Viele Projekte und
Maßnahmen zur Salafismus-Prävention arbeiteten bisher “in eher experimentellen Anordnungen”.
Eine nachhaltige Radikalisierungs-Prävention dürfe nicht als “Sonderbereich pädagogischen Handelns”
eingerichtet werden, forderte der Islamwissenschaftler. Vielmehr müssten die vorhandenen
Fachkräfte in Jugendhilfe, Schulen, Kommunen und Kirchen endlich befähigt werden, präventive
Aufgaben selbst wahrzunehmen. Allerdings fehle es in den meisten Schulen an Sozialarbeitern, um
vom Salafismus bedrohte Kinder und Jugendliche wirkungsvoll zu betreuen. Mit dem
Präventionsprogramm “Wegweiser” verfügt Nordrhein-Westfalen laut Kiefer derzeit als einziges
Bundesland über ein Netz von Beratungsstellen, die niederschwellig und schnell zu erreichen seien.
Der Deutsche Kinderschutzbund sieht wegen des zunehmenden gewaltbereiten Salafismus einen
erhöhten Aufklärungs- und Beratungsbedarf. Deshalb sei in NRW eine weitere personelle Aufstockung
des Programms “Wegweiser” dringend notwendig. Vor allem Jugendliche ohne religiöse Orientierung
seien anfällig für salafistische Ideologien. In den Gruppen der radikalen Islamisten werde
ihnen häufig eine “menschliche Heimat” geboten. Gerade junge Menschen, die sich ausgegrenzt und
benachteiligt fühlen, erlebten den Salafismus oft als “eine Kontrasterfahrung”.
Eine Breitenwirkung entfalte der Islamismus vor allem über das Internet, so der Kinderschutzbund
weiter. Videos, Chats und Foren sorgten für eine Vernetzung der salafistischen Szene.
(KNA – qllkn-89-00189)