Jerusalem (KNA) Der muslimische Felsendom auf dem Jerusalemer Tempelberg ist nach Worten des israelischen Archäologen Asaf Avraham vom einstigen jüdischen Tempel inspiriert. Entsprechende Forschungsergebnisse will der an der Bar-Ilan-Universität lehrende Wissenschaftler laut Bericht des israelischen Senders “Arutz Scheva” am heutigen Donnerstag bei einer Konferenz zum Tempelberg-Erbe vorstellen. Avraham stützt seine unkonventionelle These unter anderem auf 1.000 Jahre alte Schriftfunde aus einem arabischen Dorf nahe Hebron, in dem der Felsendom als “Fels des Heiligen Tempels” bezeichnet werde. Der vor wenigen Monaten entdeckte Text stimme mit Aussagen früher muslimischer Literatur überein, in denen der Felsendom analog zum jüdischen Tempel als “geheiligtes Haus” (arabisch Beit al Maqdis, hebräisch Beit HaMikdasch) bezeichnet werde, so der Archäologe. Auch die frühislamische Struktur der Heiligen Stätte stehe in klarer jüdischer Tradition, sagte Avraham. So gebe es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Darstellungen, die die Ausrichtung der Beter auf den Grundstein des Felsendoms und nicht, wie später, nach Mekka zeigten. Nach seiner Einschätzung wurde der Felsendom auf der Stelle des Allerheiligsten des jüdischen Tempels errichtet, um damit das Gedächtnis an die Heiligkeit der Stätte zu erhalten. Laut Avraham lassen sich starke jüdische Einflüsse auf die Entwicklung der Stätte in muslimischer Zeit nachweisen. Die muslimische Verneinung jüdischer Bezüge zum Tempelberg sei ein modernes Phänomen, das erst mit Beginn der zionistischen Bewegung entstanden sei. Andere Forschungstheorien gehen davon aus, dass sich der im Stil frühchristlich-byzantinischer Zentralbauten errichtete Felsendom an der Rotunde der Grabeskirche orientiere. Auch die Gesamtanlage des Tempelberges, arabisch “Haram al-Scharif”, weist demnach in Aufbau und Dimensionen Ähnlichkeiten zur Grabeskirche in konstantinischer Zeit auf. Der Felsendom entspräche demnach dem Grab als Heiliger Stätte, die Al-Aksa-Moschee dem Hauptschiff der Basilika und die Freifläche zwischen beiden Bauwerken dem konstantinischen Kreuzgang. Der Tempelberg ist für Juden, Muslime und Christen eine wichtige Heilige Stätte. Bis zur Zerstörung durch die Römer im Jahr 70 befand sich an dieser Stelle der jüdische Tempel, zentrales Heiligtum Israels. Zahlreiche biblische und religiöse Überlieferungen wie die Erschaffung Adams und Evas, die Opferung Isaaks oder aufseiten des Islam die Himmelsreise Mohammeds sind mit dem Ort verbunden. An Besuchen nationalistischer Israelis auf dem Tempelberg sowie an jüdischen Forderungen nach Gebetsrechten auf dem Tempelberg entzündeten sich in der Vergangenheit wiederholt teils gewalttätige Proteste von Palästinensern.
(KNA – rknlq-89-00007)