Liebe Leserinnen und Leser,
„Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft“ sind Lösungsansätze für unsere Tage, in denen Menschen nicht nur wirtschaftlich unter den neuen Ausgangsbeschränkungen leiden, sondern auch die Kulturangebote und zwischenmenschlichen Kontakte schmerzlich fehlen. Wir werden noch viele Jahre an 2020 denken, das Jahr, in dem weder die Oster- oder Weihnachtszeit noch der Monat Ramadan in liebgewonnener Gemeinschaft und Tradition gefeiert wurden. Es ist wichtig, aus der Krise zu lernen, die Augen vor Fehlentwicklungen in den letzten Jahren nicht zu verschließen. Dies heißt, nicht in nationale Alleingänge zu verfallen, sondern dass wir Menschen uns als Geschwister verstehen und solidarisch miteinander sind. Hierzu ruft Papst Franziskus mutig in seiner Sozialenzyklika „Fratelli tutti“ auf. Charakteristisch für sein stetiges Bemühen um Dialog mit den muslimischen Geschwistern greift Papst Franziskus das Dokument von Abu Dhabi aus dem Jahr 2019 auf und bezieht sich damit als erster Papst in einer Enzyklika auf ein christlich-muslimisches Dokument. Dieses Novum zeigt, wie wichtig ihm der Dialog zwischen Christen und Muslimen ist! So sprach auf der offiziellen Vorstellung der Enzyklika im Vatikan auch der muslimische Richter Mohamed Mahmoud Abdel Salam.
Hervorheben möchte ich an dieser Stelle auch das wegweisende Dokument „Für das Leben der Welt. Auf dem Weg zu einem Sozialethos der Orthodoxen Kirche“, das die Synode von Kreta aus dem Jahr 2016 fortführt und wichtige Impulse für die Orthodoxie geben wird. Der Abschnitt „Ökumenische Beziehungen und Beziehungen zu anderen Religionen“ ist in dem vorliegenden Heft vollständig dokumentiert.
Neben diesen positiven Signalen des Dialogs erschütterte uns alle die religiös motivierte Gewalt in Paris, Nizza, Wien und Dresden. Unsere tiefste Anteilnahme ist mit allen Angehörigen. Diese Ideologie des Hasses ist schrecklich anzusehen und es gilt, sich ihr entschieden entgegenzustellen. „Es gibt Gläubige, die meinen, ihre Größe bestünde darin, anderen ihre Ideologien aufzuzwingen, sei es in der gewaltsamen Verteidigung der Wahrheit, sei es in großen Machtdemonstrationen. Wir Gläubige müssen alle dies erkennen: An erster Stelle steht die Liebe…“ (Fratelli tutti 92). Klare Worte zu den Anschlägen fanden die österreichische Bischofskonferenz und Mohammed Moussaoui, Präsident des Conseil français du culte musulman, die beide in dieser Ausgabe zu finden sind. Probleme der religiösen Gewalt gehen uns alle an. Es gilt, wie dies Papst Franziskus auf dem Internationalen Gebetstreffen für den Frieden so treffend formulierte: “Niemand rettet sich allein”. Dies hat der Papst in Fratelli tutti noch einmal eindrücklich ausgesprochen, wenn er mahnt: „Wir müssen das Bewusstsein dafür schärfen, dass wir die Probleme unserer Zeit nur gemeinsam oder gar nicht bewältigen werden. Armut, Verfall und die Leiden eines Teils der Erde sind ein stillschweigender Nährboden für Probleme, die letztlich den ganzen Planeten betreffen.“ (Fratelli tutti 137)
Dass dunkle Stunden nicht das letzte Wort haben, sondern stets ein neues Licht geboren wird, ist eine der Botschaften des Weihnachtsfests und kann uns helfen, nicht die Zuversicht zu verlieren. Die dunklen Tage gehen vorüber und ein neues Jahr beginnt. Schon die Ankündigung, dass ein Impfstoff gegen Covid-19 gefunden wurde, lässt die Hoffnung keimen, dass das kommende Jahr besser wird.
Im Namen der Mitarbeiter von CIBEDO wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Start ins Jahr 2021.
In diesem Sinne, viel Freude bei der Lektüre des Heftes
Ihr Timo Güzelmansur
Inhalt
Studien
Muslimen das Christentum näherbringen. Ansätze eines theologischen Dialogs an der Minhaj University Lahore
Herman Roborgh
Die Muslime im Königreich Belgien
Hans Vöcking MAfr
Die reaktionäre Allianz: Kongruenz und Dialog konservativer Christen und Muslime auf Twitter
Die in den Fußnoten genannten Quellen finden Sie hier
Tom Würdemann
Dokumentation
Für das Leben der Welt. Auf dem Weg zu einem Sozialethos der Orthodoxen Kirche
Fortführung der Beschlüsse der Synode von Kreta,
23. März 2020
Interreligiöse Solidarität im Dienst einer verwundeten Welt. Ein christlicher Aufruf zum Nachdenken und Handeln während der Corona-Krise und darüber hinaus
Auszüge aus der gemeinsamen Veröffentlichung des PCID und des ÖRK,
27. August 2020
Niemand rettet sich allein – Frieden und Geschwisterlichkeit
Ansprache und Friedensappell von Papst Franziskus,
Rom, 20. Oktober 2020
Klarstellung zur Frage der Karikaturen
Klarstellung von Mohammed Moussaui (CFCM),
Paris, 28. Oktober 2020
Gemeinsam gegen den Terror
Presseerklärung der Österreichischen Bischofskonferenz,
12. November 2020
Berichte
Monotheismus: interreligiöse Gespräche im Umfeld moderner Gottesfragen. Hermann Stieglecker-Gedächtnistagung im Augustinerstift St. Florian, 13.–15. September 2020
Brigitte Proksch
The Concept of Death and the Concept of Life in Judaism, Christianity and Islam. Zoom-Tagung der Forschungsstelle KCID, 23.–24. September 2020, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen‑Nürnberg
Katja Thörner
Studienwoche „Christlich-Islamische Beziehungen im europäischen Kontext“ vom 27.09.–02.10.2020, Weingarten
Henriette Jung
Buchbesprechungen
Eißler, Friedmann: Islamische Verbände in Deutschland. Akteure, Hintergründe, Zusammenhänge
Sebastian Prinz
Fürlinger, Ernst/Kusur, Senad (Hg.): Islam und religiöser Pluralismus. Die Grundlagen einer dialogischen muslimischen Religionstheologie
Christian W. Troll SJ
Koopmans, Ruud: Das verfallene Haus des Islam. Die religiösen Ursachen von Unfreiheit, Stagnation und Gewalt
Eckhard Jesse
Literaturhinweise
Zeitschriftenschau