Straßburg (KNA) Islamistische Milizen zerstören im Mittleren und Nahen Osten antike Kulturgüter. Die Geschwindigkeit, mit der dies geschieht, entsetzt nicht nur Archäologen. Die Filmemacher Georg Graffe, Heike Schmidt und Kay Siering fragen nach dem derzeitigen Stand und dokumentieren in ihrer aktuellen Bestandsaufnahme das ganze Ausmaß der Zerstörung. Hochauflösende Satellitenbilder zeigen das Verschwinden wertvoller historischer Kunstwerke im Irak, Syrien und in weiteren Ländern. Die Dokumentation “Verlorene Welten – Zerstörtes Kulturerbe im Orient” ist der Eröffnungsfilm des Themenabends “Syrien” mit fünf Beiträgen, den ARTE am 15. März um 20.15 Uhr ausstrahlt.
Fanatiker des sogenannten Islamischen Staates (IS) haben dem kulturellen Erbe des Vorderen Orients den Krieg erklärt, wie die Filmemacher zeigen. In den vom IS kontrollierten Gebieten befinden sich jahrtausendealte Zeugnisse von drei Weltreligionen. Die Milizen haben bereits zahlreiche Tempel und heilige Stätten gesprengt und nationale Museen geplündert, wie Georg Graffe, der Leiter der ZDF-Redaktion “Terra X”, und seine Co-Autoren dokumentieren. Der IS schrecke auch nicht davor zurück, lukrative Lizenzen für systematische Raubgräberei an Geschäftsleute zu vergeben, so die Filmemacher. Die Grabungslöcher seien bereits deutlich auf Satellitenbilden zu erkennen.
Forscher des Deutschen Archäologischen Instituts und des Vorderasiatischen Museums in Berlin berichten, dass wissenschaftliches Arbeiten an den antiken Stätten vor Ort nicht mehr möglich sei. Sie bemühen sich, den Kontakt zu ihren Partnern in Syrien aufrechtzuerhalten und zwischenzeitlich zu versuchen, mit den Mitteln der 3D-Technik die Verluste so gut wie möglich zu dokumentieren. Nicht nur die antiken Kulturgüter wie die Oasenstadt Palmyra und das byzantinische Simeonskloster in Syrien seien in Gefahr. Das Vorgehen islamistischer Fanatiker sei eine globale Bedrohung.
Die Verluste, so zeigen die Autoren weiter, reichen inzwischen von den gesprengten Buddhas im afghanischen Bamian, über die geraubten irakischen Kulturgüter in Mossul – von denen bisher nur ein Drittel wieder aufgetaucht ist, bis zur Zerstörung von Nimrud, Ur, Babylon und Bagdad. Die hoffnungsvolle Nachricht kam immerhin aus Mali, wo die Bevölkerung fast 95 Prozent der über tausend Jahre alten Handschriften aus der Bibliothek von Timbuktu in der Hauptstadt Bamako in Sicherheit bringen konnte.
Politik und Unesco appellieren eindringlich an die betroffenen Länder, der Zerstörung der Kulturstätten ein Ende zu setzen. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betont, dass nicht nur das Morden ein Ende finden muss. Es müssten auch gesetzliche Regelungen gegen den illegalen Handel geschaffen werden, damit der Kunstraub nicht zum Auffüllen der Kriegskassen dienen kann.
Die Autoren der erschütternden Dokumentation sind wenig optimistisch. Wenn der schlimmste Fall einträte und es dem IS gelänge, sein erklärtes Ziel zu erreichen und Damaskus zu besetzen, so überlegt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin, müsse endgültig gehandelt werden. Er denke beispielsweise an eine Luftbrücke, um die unersetzlichen Kulturgüter der Stadt zu retten.
Der IS und andere terroristische Organisationen hätten nicht nur der Kultur des Vorderen und Mittleren Orients den Krieg erklärt, warnen die Autoren eindringlich. Es sei zugleich ein Angriff auf die gesamte westliche Kultur. Doch für die Menschen im Vorderen Orient gehe es derzeit nur um eins – ums nackte Überleben.
(KNA – qkmmn-89-00107)