Von Dana Kim Hansen Berlin (KNA) Vor allem im Auslandseinsatz wünschen viele sich Militärimame.
Nariman Reinke ist Soldatin. Und Nariman Reinke ist Muslimin. Seit 13 Jahren arbeitet sie bei der Bundeswehr, war zweimal in Afghanistan. Ihre Eltern stammen aus Marokko, sie selbst wurde in Deutschland geboren. Reinke ist praktizierende Muslimin. Nicht immer passt ihr Berufsalltag mit ihrer Glaubenspraxis zusammen. Die Soldatin steht etwa vor dem Problem, wie sie in der Truppe die islamischen Speisevorschriften einhalten kann. Denn Muslime dürfen kein Schweinefleisch essen. Auch der Verzehr von Blut ist ihnen verboten.
Das “halal” genannte, erlaubte Essen böten die Truppenküchen nicht an – ähnlich wie das im Judentum geforderte koschere Essen. “Man muss einfach kompromissbereit sein”, so Reinke. Sie selbst weicht auf vegetarisches Essen aus. Denn als Vegetarierin sei es einfacher, auf dem Kü- chenplan das Passende zu finden. Fünf Gebetszeiten pro Tag einzuhalten, ist da schon schwieriger. Wer sehr religiös sei, könne Probleme haben, beobachtet Reinke. “Natürlich wird es ermöglicht.”
Allerdings: Der Dienst dürfe nicht beeinträchtigt werden und es müsse genügend Zeit für das Gebet da sein. Eigene Gebetsräume gebe es jedoch nicht: “Ich habe in den 13 Jahren meines Dienstes noch in keiner Kaserne einen solchen Raum gesehen.” Die Bundeswehr versucht, die muslimischen Soldaten zu unterstützen und den Dialog zwischen den Religionen und Kulturen zu fördern. Dazu hat das Zentrum für Innere Führung eine Broschüre herausgegeben. “Nach 2001 gab es eine Verengung, man hat den Islam nicht mehr frei von Terrorismus gedacht”, erklärt Thomas Elßner vom Katholischen Militärbischofsamt, der an dem Heft mitgearbeitet hat. Titel: “Deutsche Staatsbürger muslimischen Glaubens in der Bundeswehr”.
Es sei wichtig gewesen, darin Begriffe wie Dschihad zu erklären, sagt Elßner. Daneben liefert die Broschüre Informationen zum Alltagsleben der Muslime, zu Speisevorschriften oder dem islamischen Umgang mit dem Tod. 2015 hat das Zentrum für Innere Führung zudem eine Ansprechstelle für Soldaten anderer Glaubensrichtungen ins Leben gerufen. Sie vermittelt Seelsorge außerhalb der beiden großen Kirchen. Hierhin könnten sich nicht nur Muslime wenden, erklärt Elßner. In der Einrichtung arbeiteten keine Seelsorger, sondern Soldaten. “Sie können erste Auskünfte geben oder den Kontakt zu einer muslimischen Gemeinde in der Nähe herstellen”, so der Referatsleiter im Militärbischofsamt. Spezielle muslimische Militärseelsorge bietet die Ansprechstelle also nicht.
Doch die wünscht sich Reinke: “Ich kann nicht verstehen, dass es das in Deutschland immer noch nicht gibt, wenn sich sogar die Kirchen dafür aussprechen.” Besonders im Auslandseinsatz habe ihr ein Militärimam gefehlt. Während ihres Einsatzes in Kundus sei es ihrem Vater daheim gesundheitlich schlecht gegangen. Sie aber habe Afghanistan zunächst nicht verlassen können. “Klar kann ich zum Militärpfarrer gehen, der hört mir auch zu und kann für mich da sein.”
Doch wenn es um den Islam gehe, könne der christliche Geistliche nicht helfen: “Was hätte der gemacht, wenn mein Vater gestorben wäre?” Reinke verweist auf andere Länder: “Überall klappt es mit den Militärimamen, egal ob Amerika, Niederlande oder bei den Franzosen.” Die Briten hätten für 650 muslimische Soldaten zwei Imame. Es sei anstrengend, sich vor einem Auslandseinsatz selbst darum zu kümmern, was im möglichen Todesfall zu tun sei. Wer geht dann zu den Eltern und überbringt die Horrornachricht? “Dafür brauchen wir endlich Personal”, fordert Reinke.
Ähnlich sehen das die Islamverbände. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, spricht von “Umsetzungsproblemen”. Seine Organisation habe mehrfach gefordert, in der Ansprechstelle für Soldaten anderer Glaubensrichtungen einen hauptamtlichen Vertreter muslimischen Glaubens einzusetzen. Das Thema sei auch in die Deutsche Islamkonferenz eingebracht worden, allerdings ohne Erfolg.
(KNA – skmmm-89-00038)