Zwischen Abgrenzung und Anerkennung Von Andreas Otto (KNA)
Es ist ein politisch höchst umstrittenes Thema: Die Behandlung muslimischer Verbände als Religionsgemeinschaft oder gar ihre Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Denn wenn an Schulen ein islamischer Religionsunterricht etabliert werden soll, muss dieser nach dem Grundgesetz eigentlich von einer Religionsgemeinschaft getragen werden – wenn auch unter staatlicher Aufsicht. Doch da machen viele Bundesländer nicht mit, gerade wegen der Entwicklungen in der Türkei. Über die Schwierigkeiten berieten Staatsrechtler und Theologen bei einer am Dienstag zu Ende gegangenen Tagung in Mülheim an der Ruhr.
Das Spannungsfeld leuchtete gleich zu Beginn der Leipziger Religionssoziologe Gert Pickel in der Akademie des Ruhrbistums “Die Wolfsburg” aus. Er verwies auf die wachsende religiöse Pluralität, gegenüber denen Bürger nach wissenschaftlichen Untersuchungen eine allgemeine Offenheit zeigen. Dies treffe aber nicht auf den Islam zu, den nach empirischen Studien knapp 60 Prozent der Bevölkerung negativ sehen und als Bedrohung empfinden. Was dann ein Abgrenzungsbedürfnis hervorrufe. Demgegenüber verwies der Gastgeber der “Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche”, Ortsbischof Franz-Josef Overbeck, darauf, dass der Staat ein verständliches Interesse daran hat, möglichst viele religiöse Verbände aus ihrer Grauzone heraus und “in ein geregeltes Verhältnis mit dem Staat zu holen”.
Eine Ghettoisierung sei zu vermeiden. Da ist das Beispiel Rheinland-Pfalz. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) berichtete, dass ihre Landesregierung auf Basis von Gutachten islamische Verbände schon als Religionsgemeinschaft behandeln wollte – dann aber wegen der Vorgänge in der Türkei einen Rückzieher gemacht habe und nun weiter prüfe. Ihr Land verfolge zunächst weiter das Konzept, den islamischen Religionsunterricht mit lokalen Elternvereinen zu organisieren. Auch in Nordrhein-Westfalen treibt die Politik vor allem die Frage um, inwieweit der deutsch-türkische Moscheeverband Ditib mit Ankara verwoben ist.
Ohnehin steht die Anerkennung als Religionsgemeinschaft auf tönernen Füßen, wie der Münsteraner Theologe und Professor für Öffentliches Recht, Fabian Wittreck, ausführte. Denn eine gesetzliche Vorgabe für ein solches Verfahren gibt es im Gegensatz zu Österreich in Deutschland nicht. Deshalb kämen faktisch die hohen Vorgaben zum Zuge, die für die Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts maßgeblich sind; so muss es hinreichend Mitglieder oder eine zentrale Lehrautorität geben.
Für Wittreck werden hier an neue Religionen Maßstäbe angelegt, die noch nicht einmal die alten erfüllen. Dabei verwies er auf die Kirchen, die etwa im Moralbereich keine tatsächliche disziplinarische Durchgriffsgewalt haben. Der Jurist plädierte für eine großzügigere Anerkennungspraxis. Phä- nomene wie fragwürdige Unterrichtsinhalte, Verfassungstreue oder Einfluss eines ausländischen Staates sollten dann von der Schulaufsicht überprüft und gegebenenfalls unterbunden werden.
Grundsätzlich sollte der Staat den Verbänden aber mit einem Vertrauensvorschuss begegnen. Diesen könne indes die Ditib derzeit nicht in Anspruch nehmen, so Wittreck, der für die NRWLandesregierung ein Gutachten über die Voraussetzungen islamischer Verbände als Religionsgemeinschaften verfasst hat. Der Heidelberger Verfassungsrechtler und Tagungsleiter Paul Kirchhof plädierte dafür, die Islamverbände jetzt noch nicht als Religionsgemeinschaft zu behandeln. Notwendig seien Zwischenschritte wie in NRW, wo die Verbände über Beiräte an den Inhalten des islamischen Religionsunterrichts mitwirken.
Was die Anerkennung von Religionsgemeinschaften als Körperschaft des Öffentlichen Rechts betrifft, verwies der hessische Kultusminister Ralph Alexander Lorz (CDU) darauf, dass die Politik auf ein solches Verfahren – etwa für die Zeugen Jehovas – keinen Einfluss habe. In einem Verwaltungsakt würden nur die Kriterien überprüft. Er warnte davor, den Körperschaftsstatus misszuverstehen: Von einer “TÜV-artigen Überprüfung der Rechtstreue” einer Gemeinschaft oder einer Belohnung für staatliches Wohlverhalten könne keine Rede sein.
(KNA – sknln-89-00133)