Würzburg (KNA) Der Vorsitzende des Bundesverbands der Aramäer, Daniyel Demir, warnt vor einer verschärften Re-Islamisierung der Türkei nach einem Wahlsieg von Präsident Recep Tayyip Erdogan. “Er wird die Eskalationsspirale weiterdrehen und die Türkei stärker in eine mono-religiöse und mono-ethnische Gesellschaft führen”, sagte Demir in einem Interview der Zeitung “Die Tagespost” (Donnerstag). Er bezeichnete Erdogan als “Hybrid aus einem nationalistischen Atatürk und den religiös-fundamentalistischen Kalifen”.
Erdogan befindet sich nach den Worten Demirs in auf Machterhalt fixierten Prozess. Dessen Dynamik könne er nur durch Fanatisierung, Nationalismus und Ausgrenzung kontrollieren. Erdogans Anhänger trennten nicht zwischen Türkentum und sunnitischem Islam.
Mit Blick auf seine christliche Glaubensgemeinschaft in der Türkei sagte Demirel, die Aramäer hätten über Jahrhunderte gelernt, türkischen Regierungen zu misstrauen. Nachdem Erdogan zunächst Hoffnung auf mehr Freiheiten für die Christen geweckt habe, habe seine Regierung nach einigen Jahren die größte Enteignungswelle an aramäischem Eigentum seit Gründung der türkischen Republik 1923 losgetreten. Der aramäische Besitz gelte Ankara als Faustpfand, um daran zu erinnern, wer das Sagen im Land habe.
In der Türkei finden am Sonntag Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Ein Wahlsieg würde es Erdogan ermöglichen, den begonnenen Umbau des Staates in ein autoritäres Präsidialsystem abzuschließen. Nach bisherigen Prognosen könnte es zu einer Stichwahl kommen, die Erdogan jedoch für sich entscheiden dürfte.
(KNA – sklmq-89-00051)