Berlin (KNA) Die Zahl der laufenden Fälle von Kirchenasyl in Deutschland hat im August einen neuen Höchststand erreicht. Laut Angaben der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche lebten Mitte des Monats 868 von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge, darunter 175 Kinder, in katholischen oder evangelischen Gemeinden. Die Zahl der aktiven Kirchenasyle gab die Arbeitsgemeinschaft mit 552 an, einen Monat zuvor waren es 544 mit insgesamt 872 Betroffenen, davon 185 Minderjährige. Das sind Spitzenwerte seit Beginn der detaillierten Auswertungen 2014.
Unterdessen wird auch aus den eigenen Reihen Kritik an der Praxis der Gemeinden laut. Nach Einschätzung des Leiters des Kommissariats der katholischen deutschen Bischöfe in Berlin, Karl Jüsten, missachtet rund die Hälfte von ihnen die zwischen den Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 2015 vereinbarte Regelung zur Übermittlung eines Fall-Dossiers.
Die Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften seien “gut beraten, in jedem Kirchenasylfall einen Ansprechpartner zu nennen und ein Dossier einzureichen”, mahnte Jüsten in der “Welt” (Dienstag). Dies liege “nicht zuletzt auch im Interesse der schutzsuchenden Person selbst”.
Wer Kirchenasyl gewährt, verstößt nach einhelliger Rechtsauffassung gegen geltendes Recht. Eine im August 2015 veröffentlichte Handreichung der katholischen Bischöfe spricht vom Kirchenasyl als letzter Möglichkeit (“ultima ratio”) und mahnt zu einem sehr sorgfältigen Umgang mit diesem “kostbaren Gut”. Es handle sich um eine “Form des gewaltlosen zivilen Ungehorsams”, heißt es in dem Papier.
Die Mehrzahl der Schutzsuchenden sind zudem sogenannte Dublin-Fälle, die eigentlich in das EUErsteinreiseland zurückgeschickt werden müssten, um dort Asyl zu beantragen. Läuft jedoch die Überstellungsfrist von sechs Monaten ab, ist Deutschland für den Asylantrag zuständig.
Seit dem 1. August 2018 gilt ein Erlass von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und seinen Kollegen in den Ländern, wonach bei Kirchenasylfällen in nicht vereinbarungsgemäß kooperierenden Gemeinden die Frist für diesen Selbsteintritt Deutschlands von sechs auf 18 Monate erhöht wird, die Gemeinden die Schutzsuchenden also bis zu eineinhalb Jahre lang unterstützen müssen.
Zahlen des niedersächsischen Innenministeriums bestätigen laut “Welt” die Beobachtungen Jüstens. Demnach wurden zwischen Mai 2016 und September 2017 in rund 54 Prozent der in dem Bundesland bekanntgewordenen Kirchenasylfälle Dossiers eingereicht und in 58 Prozent der Fälle “die Meldungen über ein sogenanntes Kirchenasyl über einen Kirchenvertreter” gemacht. Als problematisch werte auch das Bamf “das Nichteinreichen von Härtefall-Dossiers und das Nichtbenennen von kirchlichen Ansprechpartnern” beim Kirchenasyl.
(KNA – sksml-89-00097)