Köln (KNA) Der Göttinger Staatsrechtler Hans-Michael Heinig hat eine sachlichere öffentliche Debatte über den Islam angemahnt. Undifferenzierte religionspolitische Debatten gefährdeten die liberale Ordnung, sagte Heinig am Dienstag im Deutschlandfunk. Es gebe zu viele “Stellvertreterdebatten” und pauschale Aussagen über den Islam.
So sei die Diskussion über ein Kopftuchverbot etwa für Lehrerinnen häufig vordergründig, die eigentlichen Probleme kämen kaum zur Sprache, so der Jurist. Dabei gehe es meist um die Vorbildfunktion von Lehrern, die Frage nach Selbstbestimmung der Schüler, oder um die Angst vor zu orthodoxer Religionsausübung. Es gelte, stärker zwischen Fragen der Integration, Religion und Gefahrenabwehr zu unterscheiden und ebenso zwischen lediglich fremdartigen Erscheinungen einer Religionskultur und gefährlichen Erscheinungen.
Der Politik empfahl Heinig, mit unterschiedlichen Islamvertretern zu sprechen. Bislang würden die eher konservativen Verbandsvertreter stärker gehört – auch, weil andere Gruppen weniger gut organisiert seien. Es sei aber symbolpolitisch verfehlt, wenn Spitzenpolitiker keine Religionsangehörigen träfen, die sich als liberal verstünden.
Kritik übte Heinig auch an der Debatte darüber, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht. Diese Aussage sei, ob positiv oder negativ beschieden, ein Beispiel für eine undifferenzierte und entgleiste religionspolitische Diskurskultur. Zugleich sei allen klar, dass im Rahmen der liberalen Ordnung auch muslimische Mitbürger das Recht auf die gleiche religiöse Freiheit hätten. Wer diesen Nukleus des aufklärerischen, freiheitlichen Denkens in Frage stelle, lege die Axt an den Kern der Verfassung.
(KNA – sktko-89-00012)