Als überzeugter Westfale in Bayern “dahoam” . Von Christoph Renzikowski (KNA).
München (KNA) “Ich hänge an Westfalen, fest ins Herz geschlossen habe ich auch Trier und die Mosel, aber die Alpen, die Seen und die Stadt München, das ist schon ein Höhepunkt.” Hört man Kardinal Reinhard Marx so über seine Lebensstationen schwärmen, wie er es unlängst wieder im Interview mit der Kirchenzeitung seines Erzbistums tat, klingt es immer auch nach einem Statement. Ja, der Mann aus dem Westen sieht sich nach elf Jahren in Bayern “dahoam”, und er will dort auch nicht mehr weg. Selbst wenn ein dringender Ruf aus Rom kommen sollte, über den gelegentlich spekuliert wird. Am 21. September vollendet Marx sein 65. Lebensjahr.
Es gehört zu seinem Naturell, auch an so einem Geburtstag nicht zurück zu schauen, sondern nach vorn, und das durchaus kämpferisch. Dabei musste der seit 2014 amtierende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz zuletzt einige Schockwellen verarbeiten. Der Streit über den Kommunionempfang evangelischer Ehepartner von Katholiken wurde teils mit harten Bandagen und auch öffentlich ausgetragen. Manches sei “grenzwertig” gewesen, sagte Marx danach. So wurden ihm Alleingänge vorgehalten, wo er sich selbst nur als Sachwalter der Mehrheitsposition sah.
Tatsächlich haben sich, seit Marx Konferenzvorsitzender und engster deutscher Papstvertrauter ist, einige aus innerkirchlichen Konflikten gewohnte Muster verändert. Wer früher bei Abstimmungen in der Bischofskonferenz unterlag, konnte in Rom meist auf offene Ohren und oft auch auf Korrekturen der deutschen Beschlusslage hoffen, wenn diese zu reformerisch ausgefallen war. Diese Möglichkeit erscheint begrenzter, seit die Glaubenskongregation nicht mehr von einem konservativen Deutschen geleitet wird – und seit es der Vorsitzende der Bischofskonferenz selbst ist, der im Zweifelsfall den letzten Gesprächstermin beim Papst bekommt.
In der Amtszeit von Marx hat sich aber auch in der Bischofskonferenz selbst etwas verschoben. War das Gremium früher sehr auf Einmütigkeit und zumindest nach außen demonstrierte Geschlossenheit bedacht, treten inzwischen die theologischen und kirchenpolitischen Konfliktlinien schärfer zutage, allerdings nicht in Form fest gefügter Fraktionen. In der Kommunionfrage etwa opponierte der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke gegen den unter Marx beschlossenen Kurs der Mehrheit. Beim nicht minder strittigen Umbau der kirchlichen Finanzverwaltung hingegen steht der Eichstätter zu 100 Prozent hinter dem Münchner Kardinal.
Marx hält drängende Fragen für entscheidungsreif, wenn aus seiner Sicht hinreichend viele Bischöfe einig sind – selbst wenn eine Minderheit noch Gesprächsbedarf hat. Ziehen dann einzelne – wie etwa bei der Reform des kirchlichen Arbeitsrechts – zunächst nicht mit, findet er das nicht schlimm: Hauptsache, es geht voran. Damit löst er manchmal Stirnrunzeln aus. Auch ihm wohlgesonnene Mitbrüder merken dann an, er solle sich daran erinnern, dass der Konferenzvorsitzende nicht nur Motor, sondern vor allem Moderator sein sollte.
Eine neue Herausforderung vor der Haustür in Bayern ist dem Kardinal durch die Personalrochaden bei der CSU erwachsen. Mit Horst Seehofer verband Marx selbst bei politischen Differenzen ein guter Draht, man schätzte und respektierte einander. Mit Markus Söder hat der Erzbischof offenkundig noch keine belastbare gemeinsame Basis gefunden – trotz mehrerer Vieraugengespräche.
Dabei dürften auch Söders Sticheleien nachwirken. So warf der damalige bayerische Finanzminister auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise der Kirche vor, sie würde an der Bereitstellung von Unterkünften Geld verdienen (“Barmherzigkeit kennt keine Miete”). Und das war beileibe nicht die einzige Provokation des Protestanten.
Aller Voraussicht nach amtiert der Münchner Erzbischof noch mindestens zehn Jahre. Diese Spanne strebt auch Söder für sich als Regierungschef an. Dann müssten die beiden auf längere Zeit miteinander auskommen – falls es nicht bei der Landtagswahl am 14. Oktober ein politisches Erdbeben gibt.
(KNA – sksml-89-00105)