Mit einem Festakt ist gestern Abend (19. Oktober 2018) in Berlin an die Gründung der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) als Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz erinnert worden. Vor rund 200 Gästen aus Politik, Religionen und Gesellschaft wurde die Arbeit von CIBEDO im christlich-islamischen Dialog gewürdigt.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hob in seiner Ansprache hervor, dass jeder Mensch seinen Glauben im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung leben könne. Religionsfreiheit sei Teil der Ordnung der Freiheit, für die das Grundgesetz stehe. Wo es notwendig sei, müssten jedoch auch Grenzen aufgezeigt werden, so der Bundespräsident: „Klare Grenzen gegenüber all denjenigen, die im Namen ihrer Religion Verfassung und Rechtsstaat in Frage stellen. Und klare Grenzen gegenüber all denjenigen, die Menschen allein aufgrund ihres religiösen Glaubens verdächtigen, ausgrenzen oder diskriminieren.“ Bundespräsident Steinmeier rief zu einer kritischen Selbstreflexion der Religionen auf. „Nur das beständige Fragen, Zweifeln und Anzweifeln-lassen bewahren Religionen vor sklerotischer Erstarrung und fanatischer Rechthaberei. Und nur kluge Reflexion kann verhindern, dass die Kluft zwischen religiöser Lehre und der Lebenspraxis der Gläubigen immer tiefer und am Ende unüberbrückbar wird.“
Der Bundespräsident würdigte die Entwicklung der christlichen Bekenntnisse, in einem langen Prozess ein positives Verhältnis zur modernen Demokratie, Freiheit und Menschenrechten gefunden zu haben. Er fügte hinzu: „Statt endlos darüber zu diskutieren, ob der Islam zu Deutschland gehört, sollten wir uns vielleicht als Christen untereinander und mit unseren muslimischen Nachbarn darüber unterhalten, wie es Christentum und Islam gelingen kann, auf die Fragen der jungen Menschen wirklich überzeugende Antworten zu geben!“ CIBEDO stehe nicht auf der Seite der Lauten, sondern bei den vielen Millionen Mitbürgern, für die Deutschsein und Muslimsein kein Widerspruch sei. CIBEDO, so Bundespräsident Steinmeier, leiste weit über den interreligiösen Dialog hinaus Friedensarbeit in der Gesellschaft, für das es zu danken gelte.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, würdigte in seinem Festvortrag CIBEDO als Einrichtung, die für eine „nachhaltige Arbeit steht, die zu Vertrauen und Freundschaft führt und gleichzeitig kritische Fragen zulässt“. Das visionäre Bild des Dialogs der Religionen sei für ihn das Friedenstreffen der Religionen auf Einladung von Papst Johannes Paul II. 1986 nach Assisi. Religionen hätten dort ein Zeichen für den Frieden gesetzt und gezeigt, dass sie Lösung und nicht Teil des Problems einer auseinanderdriftenden Welt sein wollten, so Kardinal Marx. „Wir müssen die Angst vor dem Anderen überwinden, wir müssen uns gegen jede Form von Spaltung stellen, wir müssen Antworten auf die Fragen der Zeit geben.“ Dialog zwischen den Religionen bedeute, sprachfähig zu sein. „Wenn es uns so gelingt, eine Begegnung auf Augenhöhe zu realisieren, dann brauche ich keine Angst vor dem anderen zu haben, dann vermag ich mich darauf einzulassen, die Position des Anderen zu verstehen, auch wenn ich ihr nicht zustimmen kann“, sagte Kardinal Marx. Ein ehrlicher Dialog sei nur möglich, wenn die Religionen das Gegeneinander hinter sich ließen und zu einem neuen Miteinander fänden. „Lassen wir uns daran arbeiten, dass Religionen zu einem Ort der Verständigung werden, die die ganze Menschheit in den Blick nehmen. Dabei ist die Freiheit der Religion die Grundvoraussetzung für jeden Dialog“, so Kardinal Marx. Der säkulare Staat müsse die Religionsfreiheit garantieren. Es sei ein schwerer Fehler, wenn die Politik bestimme, was Religion sei.
Kardinal Marx wandte sich gegen jede Form von Fundamentalismus: „Wir erleben eine Renaissance des Religiösen, in der die Religion zu politischem Machtmissbrauch genutzt wird. Gott darf nicht für individuelle oder politische Interessen eingesetzt werden. Auch darauf muss ein Dialog der Religionen achten.“ Gleichzeitig würdigte Kardinal Marx die Dialogbemühungen von Christen und Muslimen. Dennoch sei der Dialog, wie er vom Konzil angestoßen worden und durch Papst Johannes Paul II. mit der Begegnung in Assisi forciert worden sei, ins Stocken geraten. „Verpflichten wir uns zu diesem Dialog aufs Neue. Stehen wir als Christen und Muslime gemeinsam auf gegen Hass und religiös motivierte Gewalt. Diskriminierung und Dialogverweigerung dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Das gilt auch für jede Form von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit.“ Gegen die Propheten der Angst müssten die Religionen ihre Stimme erheben. „Das Jubiläum von CIBEDO spornt uns an, diesen Weg des Dialogs gemeinsam weiter zu gehen.“
Der Geschäftsführer von CIBEDO, Dr. Timo Güzelmansur, hob hervor, dass der Dialog von CIBEDO nach dem katholischen Selbstverständnis „mit Klugheit und Liebe“ geführt werde, wie es das Konzilsdokument Nostra aetate schreibt. „Das schließt die Wertschätzung des Anderen ein, ohne die Andersheit zu negieren. Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils haben in dieser Hinsicht an Aktualität nichts verloren“, so Güzelmansur. Die Arbeit und das Dialogverständnis von CIBEDO basierten auf diesen theologischen Grundlagen. „Sie sind eingebettet in unsere Rechts- und Gesellschaftsordnung, zu deren vornehmsten Aufgaben die Gewährleistung der Menschenrechte und des freien, friedlichen und gleichberechtigten Miteinanders der Menschen gehört – unabhängig von ihren religiösen Überzeugungen.“
Aus Anlass des Jubiläums von CIBEDO sprachen beim Festakt außerdem Vertreter des Vatikans und der Muslime sowie der islamischen Theologie in Deutschland. CIBEDO wurde 1978 vom Missionsorden der Weißen Väter gegründet. 1998 übernahm die Deutsche Bischofskonferenz die Einrichtung als Arbeitsstelle, die ihren Sitz in Frankfurt hat.
Bilder und Ansprachen finden Sie HIER, auf der Internetseite der Deutschen Bischofskonferenz.