Grundsteinlegung für Thüringens ersten Moschee-Neubau. Von Karin Wollschläger (KNA).
Erfurt (KNA) Vor zweieinhalb Jahren kündigte die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt an, eine Moschee im Vorort Marbach bauen zu wollen. Während Kirchen, Landesregierung und die meisten Parteien das Projekt begrüßten, formierte sich auch breiter Protest, der mitunter an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten war und teils juristische Ermittlungen nach sich zog.
Am Dienstag wurde unter großem Polizeiaufgebot, aber ohne Zwischenfälle der Grundstein gelegt. Der Ahmadiyya-Bundesvorsitzende Abdullah Uwe Wagishauser sagte: “Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich die Situation normalisiert, wenn die Moschee erst einmal steht.” Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betonte: “Für mich gehört eine Moschee in unsere Gesellschaft. Genau wie eine Synagoge oder Kirche.” Es ist der erste Moschee-Neubau in Thüringen und – mit Ausnahme von Berlin – in Ostdeutschland.
Das Bauprojekt sorgte für viele Schlagzeilen. Am Ende wegen seltener Feldhamster: Die Nagetiere hätten ihre Höhlen auf dem rund 6.000 Quadratmeter großen Baugrundstück verlassen und das Weite gesucht, meldeten Medien Ende September. Naturschützer hatten die Hamster ins Feld geführt, um das Bauprojekt zu verhindern. Mit der gleichen Absicht griffen rechtsextreme Moschee-Kritiker im Sommer 2017 auf Schweinekadaver und einen Schweinekopf mit Nazi-Symbolen zurück, die sie auf dem Gelände aufspießten. Das Schwein gilt nach muslimischer Tradition als unreines Tier.
Es gab turbulente Bürgerversammlungen, Anhörungen und Stadtratssitzungen rund um das Bauprojekt im Gewerbegebiet. Im Januar schließlich wurde die Baugenehmigung erteilt: Für eine Moschee mit einem acht Meter hohen Zierminarett ohne Lautsprecher und eine Kuppel mit dreieinhalb Metern Durchmesser. Neben zwei Gebetsräumen ist eine Wohnung für den Imam geplant. Die Baukosten veranschlagt die Ahmadiyya-Gemeinde auf rund 650.000 Euro, finanziert vollständig aus Spenden.
Rund 70 Mitglieder zählen die Ahmadis im Freistaat. Auf die Frage, warum sie eine eigene Moschee brauchen, antwortete der Landesgemeindesprecher Suleman Malik: “Sie ist wichtig für unsere spirituelle Ernährung.” Außerdem sei der Bau “ein großes Zeichen für die Deutungshoheit des Grundgesetzes, denn das Grundrecht auf freie Religionsausübung gilt eben auch für Muslime.”
Dieses stellten Demonstranten, unter die sich zunehmend Rechtsextremisten mischten, immer wieder in Abrede. Im März 2017 errichteten Moschee-Gegner mehrfach meterhohe Protest-Kreuze auf dem Nachbargrundstück. Die Kirchen konterten sofort: Wer das Kreuz benutze, um Stimmung gegen andere Glaubensrichtungen oder gegen Andersdenkende zu machen, missbrauche dieses christliche Symbol.
Vor zwei Monaten zog nochmals ein Protestzug von 30 Menschen, teils mit “Araber-Masken” verkleidet, durch Erfurt-Marbach. In ihrer Mitte ein Mann, der offenbar Jesus darstellen sollte und theatralisch ein Kreuz schleppte. Arabische Musik tönte dazu aus Lautsprechern. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke sagte bei einer Demonstration seiner Partei auf dem Erfurter Domplatz: “Ich bin in Sorge, dass auf unserem Dom bald, in nicht allzu ferner Zukunft, der Halbmond zu sehen sein könnte.”
Die Ahmadiyya-Gemeinschaft gilt als älteste muslimische Gemeinde in Deutschland. Sie versteht sich als weltweite islamische Reformbewegung, wird aber von vielen anderen islamischen Strömungen nicht anerkannt und teils verfolgt. Bundesweit hat sie nach eigenen Angaben etwa 45.000 Mitglieder und unterhält mehr als 50 Moscheen sowie etwa 225 Gemeinden.
Hessen verlieh der Ahmadiyya-Gemeinde 2013 den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Hamburg vollzog den Schritt 2014. Kritiker werfen den Ahmadis vor, sektenähnlich zu sein und sich nur nach außen modern und reformorientiert zu geben.
Die Ahmadiyya Gemeinschaft verfolgt seit 1989 ein “100-Moscheen-Projekt”. Gegenwärtig laufen unter anderem Bauprojekte in Nahe (Schleswig-Holstein), Fulda, Wiesbaden-Dotzheim, Marburg und Raunheim (Hessen) sowie Waiblingen (Baden-Württemberg). Unterdessen verzögert sich der Start des Moscheebaus in Leipzig weiter. Ähnliche Neubau-Pläne für Dresden und Chemnitz liegen ebenfalls auf Eis.
(KNA – sllln-89-00165)