Frankfurt (KNA) Der türkischstämmige Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir lässt kein gutes Haar am angekündigten “Neuanfang” des deutsch-türkischen Islam-Dachverbandes Ditib. In einem am Freitag auf faz.net veröffentlichten Interview forderte er die Politik in Bund und Ländern auf, eine klare Sprache gegenüber der Ditib und türkischen Einflussversuchen auf Muslime in Deutschland zu finden. Der Verband müsse sich von sich aus von der türkischen Regierung lösen. Die Ditib müsse vom Religionsunterricht in Schulen ferngehalten werden und dürfe nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt werden.
Der von der türkischen Religionsbehörde gesteuerte Islam-Verband hatte am Mittwoch seine “Visionen” für die Zukunft vorgestellt. Der Vorsitzende Kazim Türkmen forderte eine Deeskalation und eine Rückbesinnung auf Sachthemen.
Özdemir sprach von einem Täuschungsmanöver. “Statt nebulöser Sprüche zum Besten zu geben, sollte Herr Türkmen erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren und die Ditib grundlegend neu aufstellen. Und zwar, indem er beispielsweise abgesetzte Vorstände wieder einsetzt, indem er sich klar und deutlich von der Ditib-Linie der letzten Jahre distanziert und indem er deutlich macht, wie der Pfad der Loslösung von Ankara aussieht. Nichts dergleichen ist von Herrn Türkmen zu erwarten.”
Ditib versuche, die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und die “türkischislamistische Synthese” – eine Art Koalition von Ultra-Nationalisten und eine besonders reaktionäre Auslegung des sunnitischen Islams – zusammenzubringen, fügte der Grünen-Politiker hinzu. “Keine Partei, kein demokratischer Politiker, kein Ministerium und keine Schule sollte sich dafür hergeben, diese Ideologie in Deutschland zu unterstützen oder gar mit öffentlichen Geldern zu fördern.”
Darüber hinaus sei Ditib nicht der einzige zweifelhafte Verband: “Wir sollten auch Milli Görüs und Atib, aber auch IGD und Islamic Relief stärker ins Visier nehmen. Sie stehen für eine Bedrohung des mehrheitlich moderaten Islams.”
Özdemir wandte sich auch gegen eine Anerkennung der Ditib als Religionsgemeinschaft. Der Verband sei “Lichtjahre” davon entfernt. Der neue Vorsitzende Türkmen sei als ehemaliger Religionsattache in Köln mit dafür verantwortlich gewesen, dass “damals Ditib-Kritiker und Gegner des Erdogan-Regimes ausspioniert wurden”. Damit sei der Verband “gegenwärtig leider nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems”.
(KNA – tklls-89-00028)
Foto: Screenshot des faz.net Artikels