Schauspielerinnenfilm mit blindem Fleck. Von Katharina Zeckau (KNA).Straßburg (KNA) “Für meinen Glauben”, so heißt dieser Film ein wenig austauschbar im Deutschen. Im französischen Original ist der Titel deutlich schillernder: “Vol”, also: “Flug”, steht zunächst auf dem Bildschirm. Das wird zu “voile”, “Schleier” – um sich schließlich zu “Devoilees” zu verändern, dem eigentlichen Filmtitel: “Die Enthüllten”.
Was die hier erzählte Story über eine Schweizer Studentin stimmig zusammenfasst, die zum Islam konvertiert, sich radikalisiert und einen Anschlag auf einen Linienflug plant. Doch es geht nicht nur um Anais: Auch deren Großmutter Isabelle trägt seit Jahrzehnten zwei große Geheimnisse mit sich herum, die im Laufe des Films “entschleiert” werden wollen. Diese beiden Lebensgeschichten werden in dem Spielfilm “Für meinen Glauben” erzählt, den Arte am 1. März um 20.15 Uhr ausstrahlt.
Immer wieder schneidet der dramaturgisch gut aufgebaute Fernsehfilm das Geschehen in der Gegenwart gegen die für Isabelle prägenden Ereignissen des Jahres 1970, übertreibt es mit dieser Parallelmontage aber auch nicht. Damals schmuggelte die linke Aktivistin Isabelle eine Schatulle ihres Geliebten, des palästinensischen Aktivisten Djibril, in den Koffer ihres Ehemanns. Der war auf dem Weg nach Israel, wo er jedoch nie ankam: Auf seinem Flug von Zürich nach Tel Aviv explodierte der Swissair-Flug 330, alle 47 Insassen kamen ums Leben. Die Umstände dieses tatsächlich stattgefundenen Attentats sind bis heute nicht geklärt.
Co-Autor und Regisseur Jacob Berger verwebt den realen historischen Hintergrund des ungeklärten Flugzeugabsturzes geschickt mit seiner fiktiven Figur der Isabelle und einer Story um drei Generationen: Da ist Anais (Lola Creton), klug, sensibel und idealistisch, die in Genf studiert und mit ihrer Großmutter Isabelle (Marthe Keller) zusammenwohnt. Anais’ Mutter und Isabelles Tochter Lea (Julie Gayet) lebt mit ihrem zweiten Mann und Anais’ Halbbruder in Montreal. Als Großmutter Isabelle bemerkt, dass Enkelin Anais zum Islam konvertiert ist, dies aber seltsamerweise nur im Geheimen auslebt, informiert sie ihre Tochter – und die macht sich sogleich auf den Weg in die Schweiz.
Mit der Unterstützung eines befreundeten Polizisten versuchen sie, Anais’ Geheimnis auf die Spur zu kommen. Und müssen feststellen, dass sich die junge Frau im Schutz einer Moschee radikalisiert hat: Sie plant die Hochzeit mit einem angesehenen IS-Mitglied und will bald auch selbst “kämpfen”. Dazu wird in Rückblenden die Geschichte der jungen Isabelle erzählt, die nach der Explosion des Flugzeugs verzweifelt – war es eine Bombe, die Djibril ihr unterschob? Und: Wer ist der Vater ihres noch ungeborenen Kindes?
“Für meinen Glauben” ist vor allem ein Schauspielerinnenfilm; die drei Darstellerinnen glänzen in ihren fein gezeichneten Rollen. Sie sind nicht nur gut gecastet, was eine gewisse äußere Ähnlichkeit betrifft – sie ergänzen sich auch in ihrem Spiel perfekt. Dass Anais in ihrem (völlig fehlgeleiteten) Idealismus unbewusst ihrer Großmutter nacheifert, ist stimmig erzählt. Und Lea, die schon rein biografisch bedingt die Rolle zwischen diesen zwei eigensinnigen Frauen einnimmt, ist eine nicht minder starke Figur.
Vorwerfen kann man der Schweizer Produktion allerdings, dass sie den Islam ziemlich einseitig darstellt: Zwar wird einmal die “Schönheit dieses Glaubens” erwähnt, zu spüren ist davon allerdings wenig. Islam, das bedeutet hier naiv bis fundamentalistisch verbohrte junge Menschen, die das Töten von “Ungläubigen” als legitimes Mittel ansehen. Auch die Radikalisierung der klugen, sensiblen Anais wird deshalb nur ansatzweise nachvollziehbar; hier hat der Film einen nicht kleinen blinden Fleck.
So funktioniert “Für meinen Glauben” weniger als ernsthafte Auseinandersetzung mit den Mechanismen von Radikalisierung, und schon gar nicht als ergebnisoffene Beschäftigung mit dem Islam. Als Familiendrama wie spannender Thriller aber ist dieser Arte-Film ebenso faszinierend wie fesselnd.
(KNA - tkmkr-89-00132) Foto: Screenshot der ARTE Webseite