Botschafter der Arabischen Emirate über Religion und Konflikte. Von Andreas Öhler, Berlin (KNA).
Franziskus hat mit dem ersten Besuch eines Papstes auf der Arabischen Halbinsel Anfang Februar ein neues Kapitel im interreligiösen Dialog aufgeschlagen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach in Berlin mit dem Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Deutschland, Ali Abdulla Al Ahmed, über Religion, Konflikte und die Suche nach Frieden:
KNA: Vor 800 Jahren wagte der heilige Franziskus mit dem Sultan Malik al Kamil den Dialog zwischen dem Christentum und dem Islam. Werden die beiden Weltreligionen in 800 Jahren immer noch um eine Verständigung ringen?
Abdullah Al Ahmed: Wir können uns keine weiteren 800 Jahre leisten. Solche Begegnungen zwischen dem Papst und dem Imam von Ägypten müssen von nun an häufig und regelmäßig stattfinden. Wir im arabischen Raum leiden gerade sehr unter dem, was im Westen gemeinhin als “Religionskrieg” bezeichnet wird.
KNA: Ist es denn keiner?
Al Ahmed: Es sind politische Konflikte, die sich den Mantel der Religion umgehängt haben. Der Papst und der Großimam waren sich darin einig, dass jede Gottesbotschaft nur eine Friedensbotschaft sein kann. Und diese Botschaft wird dringender denn je gebraucht. Im Grunde suchen wir doch alle den Frieden.
KNA: Warum finden wir ihn denn nicht?
Al Ahmed: Weil die Konflikte in einer globalen Welt nicht mehr eingrenzbar sind. Geschichte wird heutzutage nicht mehr allein von einer Gestalt, einem Land oder von einer Religion bestimmt. Durch das Internet kann man sich leicht über die Religion der Christen, der Juden und der Muslime informieren und miteinander kommunizieren. Das trägt sicher zum Abbau von Vorurteilen bei. Aber die Sozialen Netzwerke bieten auch leider immer noch ein Forum für Hassprediger.
KNA: Welche Rollen spielen denn die Religionen überhaupt?
Al Ahmed: Der Großmufti von Dubai, Ahmed al Haddad, hat es so formuliert: Zuweilen entfernen sich Zivilisationen von ihrem humanen Wesenskern; da kann die Religion gegensteuern, Halt geben und eine Haltung. Der Papst sagt da nichts anderes.
KNA: Wieso lud ausgerechnet Ihr Land zu diesem Treffen ein und nicht einer Ihrer arabischen Nachbarn?
Al Ahmed: Wir haben eine kürzere Geschichte, sind weniger mit Tradition belastet, hatten einen sehr rasanten Fortschritt. Vielleicht sind wir dadurch offener für religiöse Toleranz.
KNA: Wie haben Sie sie denn erlebt?
Al Ahmed: Ich hatte in der Grundschule einen christlichen Freund, ein armenischer Syrer. Sein Haus lag neben unserem. Die Mutter meines Freundes empfing uns und legte je eine Hand auf den Kopf ihres Sohnes und meinen und las aus der Bibel einen Segensspruch, um uns vor dem “bösen Auge” zu schützen. Im Haus meiner Eltern geschah daraufhin genau dasselbe: Meine Mutter segnete uns mit Versen aus dem Koran.
KNA: Der Einfluss der Kirche auf die westliche Gesellschaft schwindet. Können Sie sich eine ähnliche Entwicklung in Ihrem Land vorstellen?
Al Ahmad: Religion wird gefährlicher, je näher sie an die Politik heranrückt. In den Vereinigten Arabischen Emiraten leben mehr als 200 unterschiedliche Nationalitäten. Wir haben unter unserer NeunMillionen-Bevölkerung mehr als eine Million Christen; dazu kommen noch Hindus und Buddhisten. Das funktioniert nur, wenn wir unsere Religionen respektieren.
KNA: Prägen denn 1,7 Millionen Gastarbeiter mit ihrer Kultur das Land, oder sind sie nur Arbeitskräfte ohne Rechte?
Al Ahmad: Unser Land ist über diese Menschen sehr glücklich. Wir besuchen dieselben Restaurants, die gleichen Strände, teilen auch manche Jobs.
KNA: Wenn das alles in Ihrem Land so idyllisch ist, warum wurde in den westlichen Medien die Reise des Papstes mit so großer medialer Zurückhaltung behandelt? War das nur ein Propagandatrick zur Imageverbesserung Ihres Landes?
Al Ahmad: In meinen drei Jahren als Botschafter hier habe ich erfahren: Wenn wir eine positive Nachricht zu vermelden haben, wird das sofort als Medienpropaganda der Regierung abgetan. Ich kann nur sagen: Kommen Sie und schauen Sie sich an, was wir tun. Wir konnten nicht zum wirtschaftlich drittstärksten Land in der Arabischen Welt werden, wenn wir diesen Klischees entsprochen hätten.
KNA: Nennen Sie mal eines der Klischees.
Al Ahmad: Dass wir Ölscheichs seien, die ihren Reichtum ausschließlich mit Petro-Dollars verdienen. Dabei sind 70 Prozent unserer Wirtschaftskraft nicht an Öl gebunden. Wir haben unsere Ökonomie sehr breit aufgestellt; unsere Ölvorräte sind begrenzt, anders als im Iran oder dem Irak. Wir denken zunehmend ökologisch und fördern neue Technologien, investieren in Bildung, Gesundheit und Kultur. Darauf sind wir stolz.
KNA: Es gibt bei Ihnen zwar Kultusfreiheit, aber keine Religionsfreiheit. Amnesty International mahnt einen besseren Umgang mit Menschenrechten an. Sie führen einen Krieg in Jemen. Das alles hat der Papst kritisiert. Wie gehen Sie damit um?
Al Ahmad: Dass der Papst ohne abgesprochenes Skript frei seine Kritik äußern darf, zeigt, dass wir uns damit auseinandersetzen. Er hat den Jemen angesprochen. Dieser Krieg ist uns aufgezwungen worden; eine kleine Minderheit putschte gegen eine frei gewählte rechtmäßige Regierung. Wir haben uns in Stockholm zu Gesprächen getroffen, um den Frieden zu verhandeln. Seit drei Monaten haben die Hutis das Abkommen mehr als 100 Mal verletzt. Wenn sich eine terroristische Vereinigung wie die Hisbollah auf der Arabischen Halbinsel ausbreitet, gefährdet das unsere nationale Sicherheit.
KNA: Noch mal – wie viele Jahrhunderte noch: Wann werden sich Schiiten und Sunniten vertragen?
Al Ahmed: Unsere Differenzen sind nicht religiöser Natur. Schiitische und sunnitische Glaubensbrüder umarmen sich in den Moscheen, reden miteinander. Auf religiöser Ebene gibt es keine Separation. Auch der Dreißigjährige Krieg wurde letztlich nicht wegen liturgischer Feinheiten geführt. Der Friede wird ein politischer sein, vielleicht von der Religion angestiftet.
(KNA - tkmls-89-00195) Foto: wian/Pixabay