Rimini (KNA) Aus Sicht des französischen Islam-Experten Olivier Roy zeichnet sich ein Wandel in der islamischen Welt ab. Es gebe eine zunehmende Säkularisierung, während fundamentalistische Tendenzen eher abnähmen, sagte der französische Politologe bei einem Katholikentreffen in Rimini. Der fundamentalistische Trend sei in den 1990er und 2000er Jahren sehr lebendig gewesen, inzwischen aber rückläufig, so Roy im Interview des katholischen Pressediensts SIR (Mittwoch). Sowohl in Westeuropa wie auch in den Staaten des Maghreb, Tunesien, Marokko und Algerien, wachse der liberalere Islam “durch das Aufkommen einer Generation der oberen Mittelschicht”.
In Ägypten habe Präsident Abdel-Fattah al-Sisi den dort um sich greifenden Atheismus gesetzlich verboten. Im Iran hätten sich in Reaktion auf das klerikale Regime ganze Teile der Bevölkerung säkularisiert, sagte Roy. Im Westen allerdings werde diese wachsende Kluft zwischen gläubigen und säkularisierten Muslimen noch kaum wahrgenommen.
Bei dem einwöchigen Treffen in Rimini, einer Art Katholikentag, der jedes Jahr an der Adria stattfindet, lobten Roy und sein Podiumspartner, Muhammad Bin Abdul Karim Al-Issa, Generalsekretär der Islamischen Weltliga, das Konsensdokument von Papst Franziskus und Scheich Ahmad Al-Tayyeb.
Das “Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen”, das der Papst und der Großimam der Al-Azhar-Universität am 4. Februar in Abu Dhabi unterzeichneten, sei eine “epochale Wende” und bis vor wenigen Jahren noch unvorstellbar gewesen. “Keiner hätte den Mut gehabt, einen solchen Text zu unterzeichnen, vor allem nicht unter den Muslimen”, so Roy.
(KNA - tksml-89-00128)