Am 31. August 2019 beginnt für die Aleviten in Deutschland das Muharrem-Fasten, dem sich am 12. September 2019 das Aşure-Fest anschließt.
Der Vorsitzende der Unterkommission der Deutschen Bischofskonferenz für den Interreligiösen Dialog, Bischof Dr. Georg Bätzing (Limburg), hat den Aleviten in einer Grußbotschaft die Segenswünsche der Deutschen Bischofskonferenz übermittelt.
Die Grußbotschaft
Liebe alevitische Gläubige,
am 31. August beginnt für Sie die Fastenzeit im Monat Muharrem, an deren Ende Sie das Aşure-Fest begehen. Im Namen der Deutschen Bischofskonferenz und der katholischen Christen in unserem Land sende ich Ihnen anlässlich Ihrer Fasten- und Feiertage meine herzlichen Glück- und Segenswünsche.
Sicherlich werden Sie auch in diesem Jahr während Ihres zwölftägigen Fastens der Verfolgungen und Schicksalsschläge in der Geschichte Ihrer religiösen Gemeinschaft gedenken. Die traurige Aktualität dieses Gedenkens ist uns allen schmerzlich bewusst: Allein im ersten Halbjahr 2019 wurden Angehörige verschiedener Religionen – nicht nur in den vielbeachteten Attentaten auf Sri Lanka und in Neuseeland – Opfer religiös motivierter Gewalt. Deshalb ist es ein gutes Zeichen, dass die Vereinten Nationen den 22. August zum Gedenktag für Opfer religiöser Gewalt ausgerufen haben. Auch Ihre Glaubensgeschwister leiden bis heute unter Benachteiligungen und Verfolgung.
Ihre Fastenzeit verbindet Trauer über das Geschehene mit innerer Sammlung. Dies kann helfen, eine Perspektive für eine bessere Zukunft zu gewinnen. Mit der Süßspeise, die Sie nach Beendigung des Fastens verteilen, erinnern Sie an die Freude über das Überleben des Sohnes von Imam Hüseyin, der Ihrem Glauben zufolge als Keim der Hoffnung aus dem Leid hervorgegangen ist. Sie gewinnen daraus die Zuversicht, dass es trotz Gewalt und Leid die Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt. Auch wir Christen erfahren in unserem Glauben, dass Trauer und Angst in Freude und Hoffnung umgewandelt werden können. Diese beglückende Erfahrung mag uns allen dabei helfen, dass die Solidarität mit Verfolgten und Bedrängten nicht aus dem Blickfeld gerät.
Mögen Ihre vielfachen Einladungen an Nachbarn und Vertreter anderer Glaubensgemeinschaften zu Ihren Feierlichkeiten ein wichtiger Schritt hin zu dieser besseren Zukunft sein, in der ein versöhntes Miteinander Hass und Gewalt überwindet. Haci Bektaş Veli, den Sie sehr verehren, wird in Ihrer Glaubenstradition mit einem Löwen und einem Hirsch dargestellt, die miteinander friedlich neben ihm stehen. Dies ist ein schönes Bild für ein friedliches Miteinander aller Geschöpfe Gottes. Eine ähnliche Friedensvision kennt der Prophet Jesaja, bei dem es heißt: „Wolf und Lamm weiden zusammen und der Löwe frisst Stroh wie das Rind, doch der Schlange Nahrung ist der Staub. Man tut nichts Böses und begeht kein Verbrechen“ (Jes 65,25). So bete und hoffe ich, dass wir alle uns immer wieder neu unseres Auftrags als gläubige Menschen erinnern, zu Werkzeugen des Friedens und der Verständigung in unserer Welt zu werden.
Möge Gott, der Schöpfer und das Ziel unseres Lebens, Ihr Fasten annehmen und Ihnen in den Gemeinden und Familien ein besinnliches, frohes und friedliches Aşure-Fest gewähren.
Friede sei mit Ihnen!
Dr. Georg Bätzing
Bischof von Limburg
Hintergrund
Die Fastenzeit der Aleviten im Monat Muharrem, dem ersten Monat des islamischen Kalenders, dauert in diesem Jahr vom 31. August bis 11. September. Während dieser zwölf Tage, deren Zahl an die zwölf Imame erinnert, gedenken die Aleviten insbesondere des gewaltsamen Todes des Imam Hüseyin und von 72 seiner Familienangehörigen und Anhänger im Jahr 680. Im Anschluss an das Fasten – in diesem Jahr am 12. September – feiern die Aleviten das Aşure-Fest, an dem in Erinnerung an das Überleben in der Arche Noah eine Speise aus zwölf Zutaten (Aşure) zubereitet und mit Nachbarn und Freunden geteilt wird. Das alevitische Aşure-Fest ist nicht mit dem Aschura-Tag der Schiiten und der Sunniten zu verwechseln, der in diesem Jahr auf den 10. September fällt und mit dem sich zum Teil ähnliche, zum Teil andere Überlieferungen verbinden.