Frankfurt (KNA) Der Leiter des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, warnt vor einem wachsenden Einfluss des “legalistischen Islam” in Deutschland und Europa. Insbesondere die Muslimbruderschaft baue Netzwerke in ganz Europa auf und sei auch in Deutschland gut etabliert, sagte Freier in einem Interview der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Montag).
Die Muslimbrüder gäben sich nach außen gemäßigt, seien nicht gewaltbereit und verschleierten geschickt ihre politischen Ziele, betonte der Verfassungsschützer. Insbesondere in den muslimischen Teil der Gesellschaft versuchten sie aber einen politischen Islam einzuschleusen. Zentrales Ziel sei ein Staat, in dem die Gesetze der Scharia gelten. Das sei demokratiefeindlich und drohe die Gesellschaft zu spalten. Der NRW-Verfassungsschutz hatte in seinem jüngsten Bericht vor dem Erstarken eines legalistischen Islam gewarnt. Er sei langfristig sogar gefährlicher als der Salafismus.
“Wir beobachten in Deutschland ein Netzwerk von Organisationen und Personen”, erläuterte Freier. Die wichtigste Organisation sei die Deutsche Muslimische Gemeinschaft. Allein in NRW gebe es 20 der Bewegung nahe stehende Imame und 21 Moscheen, die entweder Muslimbrüder-Moscheen seien oder in denen solche Einflüsse erkennbar seien.
Großen Einfluss auf die Bewegung schreibt der Verfassungsschützer dem türkischen Präsidenten Erdogan zu. Es sei klar zu erkennen, dass die Muslimbrüder von der türkischen Regierung unterstützt würden. Die Bewegung in Deutschland verfüge allerdings offenbar über ausreichende eigene Mittel durch Spenden und Beiträge. Führende Mitglieder seien oft gut gebildet und finanzkräftig.
Freier rät, mit den Vertretern der Muslimbruderschaft zu reden und sie nicht in eine Ecke zu stellen. “Je deutlicher man öffentlich darüber redet, desto mehr sehen wir auch, dass manche von der Muslimbruderschaft abrücken”, sagte er. Auch innerhalb der Bewegung gebe es leichte Tendenzen, sich von radikaler Ideologie abzugrenzen.
Nicht unter dem Einfluss des legalistischen Islam sieht Freier die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib). Sie vertritt mehr als 856 formell selbstständige Moscheevereine in der Bundesrepublik und wird vom türkischen Religionsministerium gelenkt. Anders als die Muslimbruderschaft wolle sie den Staat nicht verändern, so Freier.
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