Von Nina Schmedding (KNA). Berlin (KNA) Die achtjährige Daniela liebt den Moment, wenn am Freitagabend zu Beginn des Schabbat die Kerzen angezündet werden. Lilli, fünf Jahre alt, spielt an Heiligabend gern mit dem Jesuskind und der Krippe. Und der siebenjährige Aslan glaubt fest daran, dass Allah auf ihn aufpasst. Dass aus dem Lautsprecher in seinem Wohnzimmer der Muezzin fünf Mal täglich zum Gebet ruft, ist für ihn ganz normal.
“Religiöse Pädagogik spricht im besten Fall alle Sinne an”, sagt Peter Martins, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Zum Guten Hirten in Berlin-Friedenau. Es gebe bestimmte Rituale, “die nicht viel mit Rationalität zu tun haben, aber einen bewegen, so ein ‘magic moment'”, sagt Martins. Für ihn ist das an Weihnachten etwa der Moment, wenn der Tannenbaum fertig geschmückt dasteht. Der Theologe bietet Gesprächsabende für Eltern an, die Antworten suchen, wenn es um das Christentum geht – auch, wenn man “religiös unmusikalisch” ist, wie er betont.
“Was ist Gott? Wieso bringt das Christkind Geschenke? Oft komme ich ins Straucheln, wenn mein Sohn mich das fragt”, bekennt in der Runde eine Mutter. Eine andere, selbst Theologin, stellt fest: “Mit meinem theologischen Überbau kann ich keine einzige Frage meiner Tochter beantworten”. Ein reines “Kulturweihnachten” aber will sie auch nicht feiern.
Religiöse Traditionen, Gebete, Kirchenbesuche: Für die meisten Deutschen ist das langweilig, lebensfremd und hat mit dem familiären Alltag oder der Erziehung nichts zu tun. Was kann Religion für Kinder des 21. Jahrhunderts da leisten? “Zunächst ist Religion wichtig, weil sie zum kulturellen Wissensbestand gehört, in der Kunstgeschichte und Musik immer wieder vorkommt. Sie ist Teil der Allgemeinbildung”, betont der Religionspädagoge Frieder Harz, emeritierter Professor der Evangelischen Fachhochschule Nürnberg.
Interreligiöser Austausch ist dabei seine Idealvorstellung. “Kein Kind sollte aus dem Kindergarten rausgehen, ohne zu wissen, dass es noch andere Religionen gibt”, empfiehlt er. Was nicht heißt, dass man die Unterschiede verdecken soll. “Man muss zunächst einmal seine eigene Religion kennen, um andere zu akzeptieren.”
Ähnlich sieht es der Tübinger Religionspädagoge Albert Biesinger, Autor zahlreicher Ratgeber zum Thema. “Wenn wir nicht wollen, dass Synagogen, Moscheen und Kirchen brennen, muss die religiöse und interreligiöse Bildung intensiver werden”, fordert der katholische Theologe. “Ohne religiöse Bildung geht es nicht mehr. Die Kinder von heute wachsen in eine Gesellschaft hinein, in der Religion ein Megathema wird”. Pädagogische Fachkräfte müssten mit Blick auf interreligiöse Kompetenz trainiert werden.
“Jahrzehntelang haben wir Religionspädagogen dagegen angekämpft, dass man Kindern Angst vor der Hölle macht, und jetzt kommt das über die muslimischen Kinder wieder in die Kitas rein”, so Biesinger. Er gibt ein Beispiel: “Wer ein Wurstbrot isst, kommt in die Hölle”, habe ein muslimisches
Kind in der Kita zu anderen Kindern gesagt. “Die Erzieherin hat nicht eingegriffen, hat das so stehen lassen”, bedauert Biesinger. “Dabei hätte sie erstens sagen, dass hier niemand in die Hölle kommt, und zweitens erklären müssen, wieso das Kind überhaupt darauf kommt – weil Muslime kein Schweinefleisch essen.” Es sei wichtig, dass Lehrer und Erzieher aus Angst vor Konflikten bei dem Thema nicht ausweichen.
Religion gibt Antworten auf kinderphilosophische Fragen, sind sich die Pädagogen einig – etwa darauf, wer die Welt gemacht hat. “Damit haben es Kinder einfacher, sich in der Welt zu Hause zu fühlen”, sagt Harz. Durch religiöse Rituale erfahren sie Zugehörigkeit, Schutz und Geborgenheit. “Ich gehe davon aus, dass Kinder von sich aus religiöse Wesen sind. Sie fangen früh an, überraschende Fragen zu stellen. Das steckt evolutionsbedingt in Menschen drin”, so Biesinger.
Fragen, die man selbst an die Religion habe, solle man offen beantworten und dabei auch zeigen, dass man nicht immer die Antwort wisse, rät der Pädagoge – etwa, wenn ein Kind ein Elternteil wegen einer Krankheit früh verliert. Warum Gott in dieser Welt Leid zulasse – das sei auch für einen gläubigen Menschen schwer zu verstehen.
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