Immer mehr Überwachung durch Kameras und Gesichtserkennung. Von Christoph Arens (KNA).
Kelkheim (KNA) Digitalisierung kann Fluch und Segen sein. Glaubt man dem neuen Weltverfolgungsindex der christlichen Organisation Open Doors, wird sie für Millionen Christen weltweit zunehmend zu einem Instrument der Schikane. Insgesamt, so das Hilfswerk evangelikaler Prägung am Mittwoch in Kelkheim, hat sich die Situation der Christen weltweit 2019 weiter verschlechtert.
Zwar registrierte Open Doors mit 2.983 deutlich weniger ermordete Christen 2018 (4.136). “Auffällig sind aber die weltweit zunehmende Kontrolle und Unterdrückung kirchlichen Lebens sowie die Zerstörung und Schließung von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen”, heißt es. Laut Index wurden fast 9.500 kirchliche Einrichtungen attackiert, zerstört oder geschlossen; im Vorjahr waren es 1.850.
Der Index enthält eine Rangliste von 50 Ländern mit der stärksten Christenverfolgung. Auf den ersten Plätzen finden sich erneut Nordkorea, gefolgt von Afghanistan, Somalia, Libyen, Pakistan und Eritrea. Insgesamt blieb die Rangliste auf den ersten 25 Plätzen stabil. In zahlreichen Ländern verschärfte sich aber laut Index die Situation.
Besonders China (Rang 23) und Indien (Rang 10) nutzen laut Bericht Kameras, biometrische Gesichtserkennung und künstliche Intelligenz, um Christen und ihre Gemeinden zu überwachen und zu schikanieren. “Es gibt heute in China mehr Christen als Mitglieder der Kommunistischen Partei”, betont Open Doors. Die Regierung von Präsident Xi Jinping betrachte nicht nur die uigurischen Muslime als Bedrohung, sondern auch die 90 Millionen Christen. Die Überwachung treffe Hauskirchen genauso wie staatlich regulierte Kirchen. Das neue System der Sozialpunkte, mit dem die Behörden alle Bürger bewerten, erhöhe auch den Druck auf Christen massiv.
Auch Indien setzt laut Bericht zunehmend Gesichtserkennungssysteme ein. Zugleich fördere die Regierung Modi weiter die Ausbreitung der hindu-nationalistischen Ideologie. Christen würden wegen vermeintlicher “Zwangskonvertierungen” und als “Agenten des Westens” beschuldigt. Für das vergangene Jahr registriert der Weltverfolgungsindex mehr als 440 Gewalttaten und Hassdelikte gegen sie. Es gebe ein Klima der Straflosigkeit.
Ein weiterer Brennpunkt der Christenverfolgung liegt laut Index in Afrika südlich der Sahara. Christen dort sähen sich mit einer neuen Welle von Gewalt durch islamistische Gruppen konfrontiert, die Länder wie Nigeria, Mauretanien, Burkina Faso oder Mali systematisch destabilisierten. Gezielt würden Dörfer mit überwiegend christlicher Bevölkerung angegriffen, heißt es. Das Machtvakuum in Libyen habe zu einer Ausweitung des islamistischen Einflusses geführt.
Erstmals auf dem Weltverfolgungsindex erscheint Burkina Faso (Rang 28), bislang bekannt für seine religiöse Toleranz. Priester und Pastoren seien von islamistischen Aktivisten getötet worden. Dorfbewohner, die christliche Symbole trugen, seien ausgesondert und auf der Stelle getötet worden.
Auch Christen in Asien leiden laut Open Doors unter dem militanten Islamismus. Die Lage in Bangladesch (von Rang 48 auf 38) und Sri Lanka (von 46 auf 30) hat sich deshalb stark verschlechtert. Fast neun Jahre Bürgerkrieg in Syrien (Rang 11) und andauernde Konflikt im Irak (Rang 15) haben die christlichen Gemeinden stark dezimiert. Im Irak, wo die Zahl der Christen vor 2003 etwa 1,5 Millionen betrug, liegt sie heute bei rund 200.000 – ein Rückgang von 87 Prozent innerhalb einer Generation. Von Iran unterstützte schiitische Milizen bedrohten und schikanierten Christen.
In Syrien ist die Situation komplexer. Von den 2,2 Millionen Christen vor dem Konflikt sind laut Schätzungen noch rund 744.000 im Land. Viele Jüngere seien gegangen. In staatlich kontrollierten Gebieten seien inmitten der Zerstörung Anzeichen von Normalität zu beobachten. Zugleich seien vom Einmarsch der Türkei in Nordostsyrien mehr als 40.000 Christen in der hauptsächlich kurdischen Region direkt betroffen. Sie befürchten laut Open Doors, dass mit der Rückführung syrischer Flüchtlinge aus der Türkei ein demografischer Austausch in der Region angestrebt wird: die bewusste Ansiedlung arabisch-sunnitischer Muslime in früher kurdischen und christlichen Regionen.
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