Franziskus und Al-Tayyeb schmieden weiter an ihrer Allianz
Vor zwei Jahren unterzeichneten Papst und Großimam ihr Dokument zum interreligiösen Dialog. Mit dem dazugehörigen Preis, gestiftet von einem Scheich, wurden jetzt der UNO-Generalsekretär und eine Friedensaktivistin geehrt.
Von Roland Juchem (KNA)
Abu Dhabi/Vatikanstadt (KNA) Wie sehr der interreligiöse Dialog eine Herzenssache für den Papst ist, zeigt sein Auftritt bei der Online Veranstaltung zum UN-Welttag der Geschwisterlichkeit am Donnerstag. Franziskus, der bei Videoaufnahmen sonst steif abliest oder irritiert neben die Kamera schaut, hält sich einerseits wortgetreu an das Manuskript – um der übersetzten Untertitel willen. Andererseits gestikuliert er und spricht wie frei, schaut auf die Monitore vor ihm, ins Redeskript, direkt in die Kamera.
Was er sagen will, hat er verinnerlicht: “Wir können es ruhig so sagen: entweder Geschwister oder Feinde.” Sich um andere nicht zu kümmern, sei eine “subtile Form der Feindschaft”. Es müsse Schluss sein mit der zunehmend verbreiteten “Technik des Wegschauens”. “Entweder sind wir Geschwister, oder alles fällt auseinander”, warnt der Papst.
Kulisse der rund 40-minütigen Online-Zeremonie ist das Denkmal für den Gründer der Vereinigten Arabische Emirate (VAE), Scheich Zayed bin Sultan al-Nahyan (1918-2004) in Abu Dhabi, Ort der Unterzeichnung des “Dokuments der Brüderlichkeit aller Menschen” vor genau zwei Jahren. Anlass ist erste Verleihung des “Zayed Award for Human Fraternity”.
Redner, Preisträger und Moderatoren der Veranstaltung werden grafisch gekonnt eingeblendet. Ob Franziskus aus dem Vatikan, Großimam Ahmad Al-Tayyeb aus Kairo, die Preisträger – UNO-Generalsekretär Antonio Guterres aus New York und die Friedensaktivistin Latifa Ibn Ziaten aus Toulouse – oder Mohamed Mahmoud Abdel Salam, Generalsekretär des “Höheren Komitees für Geschwisterlichkeit”.
Weltweite Geschwisterlichkeit sei die neue Front der Menschheit, mahnt Franziskus, “die Herausforderung unseres Jahrhunderts, die Herausforderung unserer Zeit.” Ob “Dokument zur Brüderlichkeit” oder Enzyklika “Fratelli tutti” vom Oktober: Dieser Papst will über alle Grenzen hinweg eine internationale Allianz der Gutwilligen schmieden. Als kurze Rückversicherung an die eigene konservative Klientel stellt er klar, dazu gehöre auch “Festigkeit in den eigenen Überzeugungen”.
Wie schwer gleichzeitig das Werben für Toleranz und Gutwilligkeit ist, schwingt mit, als Franziskus seinem “Freund, Bruder und Kameraden” Ahmad Al-Tayyeb für dessen “mutiges Zeugnis” dankt: “Ich weiß, dass dies keine leichte Aufgabe war”, fügt er hinzu. Sprich: Der Großimam hat in der Islamischen Welt keinen leichten Stand; zu zahlreich sind jene, die immer noch Hass und Zwietracht säen.
Sie vom Gegenteil zu überzeugen, hat sich Latifa Ibn Ziaten zur Lebensaufgabe gemacht. Ihr Sohn Imad war als französischer Armeeangehöriger 2012 von einem islamistischen Attentäter ermordet worden. Seither engagiert sich die heute 61-jährige fünffache Mutter in interreligiöser Friedensarbeit. In ihren Dankesworten nennt sie sich selbst eine “zweite Mutter von vielen, die ich in Stadtvierteln, Gefängnissen und Moscheen traf”. Al-Tayyeb, der an Ziaten gewandt etwas persönlicher und emotionaler wird, kontert das Geplärre von Terroristen als angeblichen Märtyrern mit der Versicherung, es sei Ziatens Sohn Imad, der jetzt im Paradies sei.
Den UNO-Generalsekretär und langjährigen UN-Flüchtlingskommissar Guterres nennt Al-Tayyeb “eine der tragenden Säulen des Friedensaufbaus in der Welt”. Die Jury hebt darüber hinaus Guterres’ Engagement für einen globalen Waffenstillstand angesichts der Pandemie hervor. Dass er einer der hartnäckigsten Anwälte einer zuletzt im Westen wiederholt verspotteten multilateralen Politik ist, muss man mithören.
Bei der Zeremonie nicht im Bild ist der einflussreiche Mann im Hintergrund: Mohamed Bin Zayed, Sohn des Emirate-Gründers und einer der einflussreichsten Männer in der Arabischen Welt. Sicher kein Demokrat und Pazifist, hat er sich gleichwohl der interreligiösen Geschwisterlichkeit verschrieben. Er stiftete den Fraternity-Preis, unterstützt das interreligiös und internationale zusammengesetzte “Höhere Komitee für Geschwisterlichkeit” – und wirbt in eigener Sache. In der aufgezeichneten, musikalisch untermalten Abmoderation wird die Gründung der VAE als ein “Akt der Brüderlichkeit” gepriesen, der “sieben Emirate in einer Nation vereinte” und Menschen aus aller Welt willkommen heiße.
Dass sich Franziskus darauf einlässt, zeigt, wie wichtig ihm ist, im arabisch-islamischen Raum noch mehr Mitstreiter zu gewinnen. “Dialog muss man immer und mit jedem führen”, betont der Papst des Öfteren. Ein weiterer Mitarbeiter auf dem Weg zur Geschwisterlichkeit aller Menschen könnte sich anbieten, wenn Franziskus Anfang März im Irak mit Großajatollah Ali as-Sistani einen wichtigen schiitischen Vertreter trifft.
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