Augsburg (KNA) Zur Bekämpfung von religiös begründetem Antisemitismus haben die Teilnehmer des Augsburger Friedensgesprächs aufgerufen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte am Mittwochabend, Antisemitismus werde heute in den christlichen Kirchen nicht mehr gepredigt, anders als noch vor zwei Generationen. Allerdings habe sich diese überkommene Form der Verkündigung “in den Familien weiter vererbt und bis heute gut erhalten”. Die Kirchen hätten weiter die Aufgabe, dem entgegenzuwirken.
Die evangelische Theologin Margot Käßmann sagte, die evangelische Kirche in Deutschland habe sich dem Nationalsozialismus “zu großen Teilen angeschlossen”. Theologen, die in der NS-Zeit in Eisenach ein “Entjudungsinstitut” gegründet hätten, hätten auch noch nach dem Krieg als anerkannte Wissenschaftler gegolten. Heute könne man nur noch “schockiert” darüber sein, “wie über die jüdischen Wurzeln Jesu so hinweggegangen werden konnte”.
Der muslimische Psychologe Ahmad Mansour sagte, muslimischer Antisemitismus sei neben Rechtsextremismus “die größte Bedrohung für jüdisches Leben in Europa”. Er wünsche sich von Muslimen in Deutschland einen kritischeren Umgang mit dem Koran und auch einmal “ein Freitagsgebet zum Existenzrecht Israels”. Für die Schulen müsse ein Format gefunden werden, in dem Islam, Judentum und Christentum so vermittelt würden, dass die Schüler zusammenblieben und nicht länger getrennt unterrichtet würden. “Wir brauchen mehr Inklusion und Begegnung im Alltag.”
Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Henry G. Brandt, sagte, an Zuwanderer müssten klare Erwartungen hinsichtlich der in Deutschland geltenden Werte formuliert werden. “Parallelgesellschaften im Sinne ferngesteuerter Religionsgemeinschaften dürfte es gar nicht geben.” Brandt fügte hinzu, es wäre aber “vielleicht auch einmal an der Zeit, in jüdischen Schulen etwas über Christentum und Islam zu lehren”.
Die Vortrags- und Gesprächsreihe Augsburger Friedensgespräche fand diesmal wegen der Pandemie erstmals als Video-Schaltkonferenz statt, die im Internet übertragen wurde. Es gibt jeweils zwei Termine im Jahr. Mit der Reihe möchte das Friedensbüro der Stadt Augsburg mit Kooperationspartnern unter Bezug auf den Augsburger Religionsfrieden von 1555 politische Impulse setzen.
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