Köln (KNA) Die liberale Muslimin und Moscheegründerin Seyran Ates hat politischen Parteien eine falsche Wahrnehmung des Islam in Deutschland vorgeworfen. “Sie denken ja, die Zahl der Konservativen ist viel höher und sie machen eine entsprechende Politik für die Traditionellen und für die Konservativen, weil sie ja gewählt werden wollen”, sagte sie am Mittwoch in der aktuellen Ausgabe des Podcasts “Himmelklar”. “Hier sage ich ausdrücklich: Das ist ein Irrglaube.”
In Wahrheit gebe es unter den deutschen muslimischen Wählern “mindestens genauso viel, vielleicht sogar mehr” säkular ausgerichtete Personen. Dennoch unterstütze die Politik die Konservativen in dem falschen Glauben, diese seien in der Mehrheit.
Ähnliche Mehrheitsverhältnisse zwischen liberalen und traditionellen Muslimen gelten nach Einschätzung von Ates weltweit. “Der einzige Grund, warum säkulare Muslime – Muslime, die einen sehr zeitgemäßen und liberalen, offenen und toleranten Islam leben und vor allem interreligiösen Dialog auch sehr ernst nehmen – nicht so sichtbar sind, ist das Thema Gewalt”, betonte sie.
Diese öffentlichkeitswirksame Gewalt gehe dabei nicht nur von den bekannten Terrororganisationen wie Al-Kaida oder Boko Haram aus. “Es gibt eine unglaubliche Gewaltbereitschaft bei Orthodoxen, Konservativen und Radikalen”, warnte Ates. Als Beispiel nannte sie “hässlichste Nachrichten”, die die von ihr mitinitiierte Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin auch im derzeitigen Fastenmonat Ramadan von konservativen Muslimen erhalte.
Ates, die als Anwältin, Frauenrechtlerin und Buchautorin hervortrat, gründete die liberale Moschee im Jahr 2017. Dort beten anders als in konservativen Moscheen beten dort Männer und Frauen gemeinsam, oft unter Leitung weiblicher Imame. Auch Andersgläubige sowie LSGBTQ-Menschen sind dort willkommen. Nach der Gründung erhielt Ates Morddrohungen und lebt bis heute unter dauerndem Polizeischutz.
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