Liebe Leserinnen und Leser,
Ende Mai fand der 102. Katholikentag in Stuttgart statt. Viele Themen, die gegenwärtig die katholische Kirche beschäftigen und gesellschaftlich relevant sind, wurden in unterschiedlichen Veranstaltungsformaten diskutiert. Wie in der Vergangenheit gab es eine Vielzahl an Veranstaltungen sowohl zu den Themen des christlich-jüdischen als auch des christlich-islamischen Dialogs. Auch wenn das Programm aufgrund der noch anhaltenden Pandemie und der geringeren Teilnehmendenzahlen abgespeckt wurde, ist es gelungen, wichtige Themen mit entsprechenden Akteurinnen und Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen abzubilden. Der christlich-islamische Dialog wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Katholikentags mit einem Abendempfang bedacht, in dessen Rahmen die Verdienste von Gabrielle Erpenbeck gewürdigt wurden. Frau Erpenbeck wirkte über 40 Jahre u. a. im Gesprächskreis „Christen und Muslime“ beim ZdK und bei der Programmkommission für den christlich-islamischen Dialog bei den Katholikentagen. Vielen Dank, Frau Erpenbeck, und Gottes Segen für den Ruhestand!
„Ich möchte alle – Christen, Muslime und Juden – daran gewöhnen, in mir ihren Bruder zu sehen – einen Freund aller, der bereit ist, zu helfen, ohne etwas dafür zu verlangen.“ Unter diesem Leitspruch lebte Charles de Foucauld über fünfzehn Jahre in der algerischen Wüste. Er gewann das Vertrauen der Menschen vor Ort und genoss bei ihnen großes Ansehen durch sein einfaches Leben. Er wurde „Freund der Muslime“ genannt. Am 15. Mai 2022 wurde er in Rom heiliggesprochen. Durch sein Leben hat er den Blick und die Haltung der Kirche auf Menschen anderer religiöser Traditionen, insbesondere auf die Muslime, verändert und nachhaltig geprägt. Der interreligiöse Dialog hat einen weiteren „himmlischen“ Fürsprecher! Der muslimisch-jüdische Dialog hat, wie jedes interreligiöse Gespräch, eigene Anliegen, Themen und Dynamiken. Diese gilt es, im christlich-islamischen Dialog in ihrer Eigenheit, und nicht nur als Seitenarm des Trialogs, wahrzunehmen. Dennoch geht dieser durch den Rückbezug auf das Christentum und seine spezifische Verortung innerhalb des christlich geprägten Deutschlands auch das christlich-islamische Gespräch an. Eine Sichtung jüngster muslimisch-jüdischer Publikationen im deutschen Kontext nimmt in dieser Ausgabe Katja Thörner vor. Aysun Yaşar hingegen wirft einen Blick auf das Bild Goldzihers von Muhammed und dessen türkisch-theologische Rezeption und folgert daraus Implikationen für den Dialog. Mathias Eder, Susann Gihr und Innocent Maganya stellen das Institut für interreligiösen Dialog und islamische Studien im Tanganza University College und den kenianischen interreligiösen sowie politischen Kontext vor. Sie zeigen, inwiefern dort interreligiöser Dialog als Instrument der Friedenskonsolidierung wirken kann. Haila Manteghi blickt in ihrer Studie auf den ersten Bischof von Isfahan und beleuchtet die katholisch-schiitische Verflechtungsgeschichte, die auch für heute relevant ist. Last but not least: Die CIBEDO-Schriftenreihe ist um zwei Bände reicher geworden: Roger Arnaldez’ wegweisende Auseinandersetzung mit al-Ḥallāǧs muslimischer Kreuzestheologie liegt nun auf Deutsch vor und ein Sammelband beschäftigt sich mit den Dynamiken von Glauben und Unglauben aus christlich-muslimischer Perspektive. Viel Freude bei der Lektüre.
Ihr Timo Güzelmansur
Inhalt
Studien
Interreligiöser Dialog als Instrument der Friedenskonsolidierung – Untersuchung der Rolle des Instituts für interreligiösen Dialog und islamische Studien im Tangaza University College (Kenia) als internationale und nationale Drehscheibe in Ostafrika Matthias Eder, Susann Gihr, Innocent Maganya
Juan Thadeo de San Eliseo (1574–1633). Der erste Bischof von Isfahan: Zwischen Politik, Mission und kulturellem Austausch Haila Manteghi Amin 50 Ignaz Goldzihers Sicht auf Muhammed und seine Rezeption in der türkischen islamischen Theologie. Eine kritische Sichtung Aysun Yaşar
Dokumentation
Botschaft zum Ramadan und ‘Id al‑Fitr des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog,1443 H./2022 A.D.
Vatikanstadt, 18. Februar 2022
Grußbotschaft des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz um muslimischen Fastenmonat Ramadan
Bonn, 1. April 2022
Grußwort zum Fastenmonat Ramadan der Ratsvorsitzenden der EKD
Hannover, 31. März 2022
Grußbotschaft des Bundespräsidenten zum Fest des Fastenbrechens
Berlin, 2. Mai 2022
Erklärung der gemeinsamen menschlichen Werte
Riad, 11. Mai 2022
Berichte
Populismus betrifft die Religionen unmittelbar. 18. Theologisches Forum Christentum – Islam, 4.–6. März 2022
Nicolas Conrads
The Concept of Protology/Cosmology and the Concept of Eschatology in Judaism, Christianity and Islam. Tagung des Bayerischen Forschungszentrums für Interreligiöse Diskurse (BaFID), 16.–17. Februar 2022
Maria Elisabeth Höwer
Islamismus in Deutschland – Quo Vadis? Tagung der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, 15.–16. März 2022
Sebastian Prinz
Coexister Germany e.V. Eine globale Jugendbewegung für sozialen Frieden feiert einjähriges Jubiläum, Frankfurt a.M., 1.–3. April 2022
Coexister Germany e.V.
Buchbesprechungen
Sammelrezension jüdisch-muslimischer Dialog: De Boor, Rachel/Frank, Jo/Ouertani, Sonya/Tosuner, Hakan (Hg.): Und endlich konnten wir reden … Keskinkiliç, Ozan Zakariya/Langer, Ármin (Hg.): Fremdgemacht & Reorientiert Khorchide, Mouhanad/Homolka, Walter: Umdenken! Klapheck, Elisa/Brumlik, Micha/Heschel, Susannah: Judentum. Islam. Ein neues Dialogszenario Zentralrat der Juden (Hg.): Schalom Aleikum Report.
Katja Thörner
Šarčević, Ivan: Dijalog iz vjere (Dialog aus dem Glauben)
Mario Trifunović
Schröter, Susanne: Allahs Karawane. Eine Reise durch das islamische Multiversum Florian Jäckel