Bonn (KNA) In einem Offenen Brief protestieren bisher rund 60 Nahost-Expertinnen und -Experten gegen das drohende Aus für das Islam-Portal Qantara.de. Es sei “völlig unverständlich”, dass das Auswärtige Amt zum Jahresbeginn 2023 die Finanzierung des Online-Portals einstellen wolle, heißt es in dem am Sonntag veröffentlichten Schreiben: “Eine glaubwürdige und zuverlässige mediale Brücke zwischen Deutschland, Europa und den islamisch geprägten Ländern und Gesellschaften ginge verloren.” Qantara (arabisch für “Brücke”) habe sich seit 2003 als feste Größe im Kulturdialog mit der islamischen Welt etabliert.
Es gebe kein anderes Medium, das Sichtweisen aus der islamischen Welt tagesaktuell auf Deutsch liefere, heißt es weiter. Das Portal stelle “gerade in Zeiten, in denen die Debatten rund um die Region immer wieder durch Oberflächlichkeit und Stereotype geprägt sind, einen wirksamen und verbindenden Gegenpol der Verständigung dar”.
Zu den Erstunterzeichnern gehören etliche Professorinnen und Professoren aus den Bereichen Religions- und Islamwissenschaft, aber auch mehrere Nahostkorrespondenten, Meron Mendel von der jüdischen Bildungsstätte Anne Frank, Schriftsteller wie Navid Kermani oder der langjährige Direktor des Deutschen Orient-Instituts, Udo Steinbach.
Sie fordern die Bundesregierung zur Rücknahme der Entscheidung auf, die Finanzierung einzustellen, “und den Bundestag, eine dauerhafte, ausreichende und gesicherte Finanzierung von Qantara zu ermöglichen”.
Die “Frankfurter Rundschau” und die Deutsche Welle (DW), die das Projekt Qantara kuratiert, hatten zuerst berichtet, dass die Zuschüsse in Höhe von rund 360.000 Euro pro Jahr gestrichen werden sollen. Der Gesamtetat wird auf etwa 380.000 Euro beziffert. Laut Bundesregierung ist ein Qantara-Ende zum Jahreswechsel aber noch nicht beschlos.
Qantara hat laut DW mehr als eine Million Follower auf Facebook, die Webseite registriere täglich etwa 10.000 Zugriffe, und der Newsletter habe 20.000 Abonnenten. Die Nachricht über ein mögliches Ende von Qantara löste auch in den Medien scharfe Kritik aus. “Klar kann man sich entscheiden, einfach nicht in eine Region zu schauen, und jedes Wissen darüber einfach einzustellen. Wie das zu grüner Außenpolitik und Kulturpolitik passt, ist mir ein Rätsel”, schrieb etwa ZDF-Studioleiterin in Kairo, Golineh Atai, auf Twitter.
© KNA
Beitragsbild: 652234 via pixabay.com