Glückwünsche an Aleviten in Deutschland
Am 19. Juli 2023 beginnt für die Alevitinnen und Aleviten in Deutschland das Muharrem-Fasten, dem sich am 31. Juli 2023 das Aşure-Fest anschließt. In einer Grußbotschaft übermittelt Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), Vorsitzender der Unterkommission der Deutschen Bischofskonferenz für den Interreligiösen Dialog, der alevitischen Gemeinschaft in Deutschland die Segenswünsche der Deutschen Bischofskonferenz.
Liebe alevitische Gläubige,
zu Beginn der zwölftägigen Muharrem-Fastenzeit und zum anschließenden alevitischen Aşure-Fest am 31. Juli sende ich Ihnen im Namen der katholischen Kirche in Deutschland meine herzlichsten Segenswünsche.
Die religiös motivierten Fastenzeiten sind willkommene Gelegenheiten, das alltägliche Leben zu unterbrechen. Sie bieten eine Möglichkeit zur erneuten Prüfung unseres geistlichen Lebens und unserer Beziehungen zu den Mitmenschen. Dabei spielen Gerechtigkeit und Solidarität beim Muharrem-Fasten eine besondere Rolle – Werte, derer wir in unserer Zeit dringend bedürfen.
In der Selbstbeschreibung des alevitischen Glaubens hat die Weg-Metapher eine wichtige Bedeutung. Der Mensch ist stets unterwegs. Er befindet sich auf einer spirituellen Reise, um so sein wahres Selbst zu erkennen. In der christlichen Theologie sprechen wir davon, dass der Mensch ein Pilger auf dieser Welt ist. Der Pilger ist kein Tourist; er unternimmt keine Vergnügungsreise, sondern hat ein anderes Ziel vor Augen. Der Pilgerweg ist ein Weg der Läuterung und Reinigung. Es werden keine materiellen Dinge gesammelt, keine Schätze, kein Besitz, weder Ruhm noch Ehre sind von Bedeutung. Die Pilgernden wandern mit leichtem Gepäck, alles Unnötige muss zurückbleiben. Die alevitische Lehre hebt hervor, dass der Mensch bei seiner Pilgerreise vier Tore und vierzig Stufen durchwandert. Dabei leitet ihn die ethische Grundmaxime: „Beherrsche deine Hände, deine Zunge und deine Lende“. Im Hintergrund steht das Bedürfnis nach gelingenden Beziehungen: zu sich selbst und zur Gemeinschaft – und insbesondere zu Gott!
Die Erkenntnis der Wahrheit, die Gott selbst ist, stellt eine lebenslange Aufgabe dar. Gott macht den Menschen auf seiner Pilgerreise lebendig, spricht ihm immer wieder neuen Mut zu. So heißt es in einem Gedicht von Yunus Emre, der in Ihrer Gemeinschaft hohes Ansehen genießt: „Wir tranken Wein, den Gott herabgesandt – Lob, Preis sei Gott! Wir waren trocken und wurden lebendig …“.
Ein lebendiger Glaube ist kostbar und führt den Menschen zu einer größeren Freiheit. Und die Glaubensfreude will geteilt werden! Familie und Gemeinschaft kommen zusammen. Die Freude drückt sich in der alevitischen Tradition auch durch die süße Geschmacksnote der Aşuresuppe aus, die Sie am Ende der Fastenzeit zubereiten. Es ist eine gute Tradition, dass Sie, verehrte alevitische Gläubige, diese Freude mit Nachbarn und Freunden teilen, zu denen oft auch Menschen anderer religiöser Traditionen gehören. Solche Begegnungen sind ein hoffnungsvolles Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung und des guten Miteinanders in unserer Gesellschaft. Ich hoffe, dass auch dieses Jahr zahlreiche Gäste Ihrer Einladung folgen werden.
Mögen Sie in dieser Fastenzeit auf besondere Weise die Barmherzigkeit Gottes erfahren. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und allen, die Ihnen nahestehen, ein erfülltes Muharrem-Fasten und ein friedliches Aşure-Fest.
Dr. Bertram Meier
Bischof von Augsburg
Hintergrund
Die Fastenzeit der Aleviten im Monat Muharrem, dem ersten Monat des islamischen Kalenders, dauert in diesem Jahr vom 19. bis 30. Juli. Während dieser zwölf Tage, deren Zahl an die zwölf Imame erinnert, gedenken die Aleviten insbesondere des gewaltsamen Todes des Imam Hüseyin und von 72 seiner Familienangehörigen und Anhänger im Jahr 680. Im Anschluss an das Fasten – in diesem Jahr am 31. Juli – feiern die Aleviten das Aşure-Fest, an dem in Erinnerung an das Überleben in der Arche Noah eine Speise (Aşure) aus zwölf Zutaten zubereitet wird. Das alevitische Aşure-Fest ist nicht mit dem Aschura-Tag der Schiiten und der Sunniten zu verwechseln, mit dem sich zum Teil ähnliche, zum Teil aber auch andere Überlieferungen verbinden.
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