Worte lassen Welten erstehen. Wenn ich mich in einen Roman vertiefen kann und schon nach wenigen Seiten „drin“ bin, ist für mich Urlaubszeit. Die Vorfreude beginnt meistens schon in der Buchhandlung beim Lesen der ersten Zeilen.
Worte schaffen Welten; nicht nur in der Fiktion. Das Ja-Wort gegenseitiger Liebe und Treue begründet die Ehe. Ein unerwartetes Lob tut besonders gut. Kinder lernen sprechen, weil sie angesprochen werden; erstaunlich, wie rasch sich ihr Wortschatz erweitert. Ohne ehrliche Worte, die neues Vertrauen wecken, kommt kein Friede zustande; nicht im Kleinen und schon gar nicht im Großen.
Mir hat es immer schon eingeleuchtet, was die Heilige Schrift sagt: Gott sprach und es wurde. Das meint Schöpfung. „Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist.“ (Joh 1,3) Das nimmt den tiefen Einsichten der Forschung über die Entstehung des Kosmos nichts von ihrem Wert. Gott spricht, und so bleibt alles erhalten – auch wenn es in unseren Augen vergeht. Gott „trägt das All durch sein machtvolles Wort“ (Hebr 1,3) – jeden Augenblick.
Worte erschaffen Welten. Aber unsere Worte schaffen es auch, Welten in Trümmer zu legen. Versprechen werden gebrochen, große Worte gemacht, Worte verletzen – ob mit oder ohne Absicht. Auch meine Worte haben Menschen enttäuscht. Und viele dramatische Entwicklungen heute haben ihren Grund darin, dass sich hehre Worte im Nachhinein als Täuschung, Taktik oder glatte Lüge erwiesen haben. Viel leidvolle Erfahrung steckt dahinter. Misstrauen – einmal gesät – treibt Keile zwischen Menschen, Gruppen und Völker. Wenn Worte nicht mehr wahr sind und ernst gemeint, dann wird es mühsam. Ein Leben voller „Mühsal“ (Gen 3,16.17) und Tränen hat Gott seinen Menschen nach dem Sündenfall vorhergesagt. Es erfüllt sich bis heute ein ums andere Mal. Und es macht vor dem Glauben nicht halt. Unter den vielen Gründen, warum sich Menschen schwertun und innerlich vom Glauben und der Kirche lösen, steht auch die Frage im Raum: Kann man Gott trauen? Wo ist er denn in all dem Elend und Blutvergießen jeden Tag? Will er nicht oder kann er nicht eingreifen? Was soll ich mit einem Gott, der sich versteckt? Gilt sein Wort?
„gott // ich will es glauben / dass DU die erniedrigten erhöhst / die wunden heilst / und für gerechtigkeit sorgst // aber / wann / gott / wann?“, fragt Johanna Beck und spricht wohl vielen aus dem Herzen. „lass mich nicht aufhören / darauf zu hoffen // rufe es mir zu / wenn alles in mir schreit / flüstere es mir ins ohr / wenn ich nicht schlafen kann: // die / zeit / wird / kommen“ (in: Frauen beten, hrsg. von Katrin Brockmöller und Aurica Jax, camino im Verlag Katholisches Bibelwerk 2023, 130).
In unsere Nöte, in unsere Zeit, in unsere Fragen kommt heute die Zusage: Die Zeit ist da. Denn „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Das ist Weihnachten: Gott hält sein Wort. Gott steht zur Welt und zu uns Menschen. Und weil er um unsere Zerrissenheit weiß und um die Zerwürfnisse, um all das Leid, das menschliche Schuld verursacht, darum hat er sein eigen Fleisch und Blut investiert, seinen Sohn: Gott von Gott – ein Mensch wie wir. Bruder und Freund, der uns nahe ist; einer, der die Mühsal nicht scheut, Menschen aus ihrer Vereinzelung zu sammeln. Das Wort des lebendigen Gottes, uns nachgesagt, nachgerufen bis in den Tod, damit sich dort bewahrheitet, was ganz „im Anfang“ (Joh 1,1) gilt: Gott „macht“ nichts und schafft doch alles. Er schenkt Leben, rettet Leben, befreit zum Leben. Wen sein Wort trifft, wer sich davon berühren lässt, der kann zusammen mit den Engeln singen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“ (Lk 2,14). Ja, beides gehört zusammen.
Wenn Sie mich fragen, wie ich Weihnachten auf den Punkt bringe, dann sage ich: Jesus – Gottes Ehrenwort. Denen, die in Angst und Schrecken leben müssen und keinen Ausweg sehen, gibt er Zukunftsmut: „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; hab keine Angst, denn ich bin dein Gott!“ (Jes 41,10); und: „Weißt du es nicht, hörst du es nicht? Der Herr ist ein ewiger Gott […] Er wird nicht müde und matt“ (Jes 40,28). Ehrenwort!
All jenen, die sich in ihrem Schmerz und ihrer Trauer übersehen oder alleingelassen fühlen, springt er tröstend bei: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, ohne Erbarmen sein gegenüber ihrem leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergisst: Ich vergesse dich nicht.“ (Jes 49,15) Ehrenwort!
Und alle, die heute angesichts der vielen Krisen besorgt und verunsichert sind, überrascht er wie damals schon seine Zeitgenossen: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.“ Ehrenwort! Darum: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15)
Worte lassen Welten erstehen. Jesus, Gottes „schönstes, tiefstes und letztes Wort“ (Lied zum Glaubensbekenntnis), steht für eine Welt ein, in der es gerecht und menschlich zugeht, weil Menschen aufeinander achten und füreinander sorgen – wissend, dass Gott ganz nah ist. Alle, die ihn beim Wort nehmen, sind auf dem besten Weg, „Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). Ehrenwort!
Quelle: DBK