Vertreibungsphantasien von Rechtsextremen lösen Empörung bei Kirchen und Prominenten aus. Die Gesellschaft müsse endlich aufwachen, fordern sie. Auch die AfD steht verstärkt unter Beobachtung.
Bonn (KNA) Führende Vertreter der katholischen Kirche reagieren entsetzt auf Pläne rechtsextremer Kreise zu einer Vertreibung von Millionen Menschen aus der Bundesrepublik. Die Kirche stelle sich dem entschieden entgegen, betonten der Sonderbeauftragte der Bischofskonferenz für Flüchtlingsfragen, Erzbischof Stefan Heße, und die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp.
„Die Vorbereitung rechtsextremer Umsturz- und Vertreibungspläne in unserem Land hat ein bedrohliches Ausmaß erreicht“, sagte Heße der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Was AfD-Politiker und weitere Rechtsextremisten mit dem verharmlosenden Schlagwort ‘Remigration’ versehen, ist letztlich nichts anderes als ein zutiefst menschenverachtender und verstörender Plan zur systematischen Diskriminierung, massenhaften Ausweisung und Deportation von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.“
Laut Recherchen des Netzwerks Correctiv fand im November in Potsdam ein Treffen von Rechtsextremen statt, an dem auch hochrangige AfD-Mitglieder teilnahmen. Dabei sei es um eine Strategie für eine massenhafte Umsiedlung gegangen, sobald die AfD in Regierungsverantwortung komme.
„Die neue Enthüllung scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein und lässt Parallelen zu den dunkelsten Zeiten unserer Geschichte erkennen“, warnte der Hamburger Erzbischof. „Ideologische Allianzen zwischen rechtsextremen und vermeintlich bürgerlichen Milieus sind brandgefährlich.“
Auch ZdK-Präsidentin Stetter-Karp zeigte sich erschüttert: Das Treen in Potsdam zeige, „wie weit sich die AfD und die rechte Szene in Deutschland von der Verfassung entfernt haben. Wer immer noch glaubt, hier handle es sich um Einzelfälle und Einzelpersönlichkeiten, lässt sich täuschen.“ Stetter-Karp sieht Katholikinnen und Katholiken aufgefordert, gegen extremistisches Gedankengut anzukämpfen. „In keiner Weise darf es möglich sein, dass Menschen, die solche politischen Ansichten teilen, haupt- oder ehrenamtlich in der Kirche aktiv sind.“
Auch der Soziologe Wilhelm Heitmeyer warnte vor einer gesellschaftlichen Gleichgültigkeit gegenüber Rechtsextremen. „Wenn man etwas für die demokratische Kultur in diesem Land tun will, dann muss man im Sportverein, im Freundes- und Bekanntenkreis oder am Arbeitsplatz unbedingt widersprechen, wenn gegen Menschen gehetzt wird“, sagte er der in Bielefeld erscheinenden „Neuen Westfälischen“ (Samstag). „Unsere Demokratie lebt vom alltäglichen Mut einer konfliktfähigen Zivilgesellschaft.“
ZDF-Moderator Mitri Sirin (52) zeigte sich schockiert über die Pläne, Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund aus dem Land zu deportieren. „Deutschland ist meine Heimat, mein Zuhause, hier werde ich bleiben und nichts wird das ändern“, schrieb der Moderator von „Heute Journal“ und „Morgenmagazin“ am Freitagabend auf X, dem früheren Twitter.
Seine Eltern seien Ende der 60er Jahre aus der Türkei nach Deutschland gekommen, hätten hier gearbeitet, Steuern gezahlt und Kinder bekommen. Er selbst sei in Deutschland geboren, hier zur Schule gegangen und ausgebildet worden, er zahle seit mehr als 30 Jahren Steuern, betonte Sirin unter den Hashtags „Erzählt eure Geschichte“ und „Schweigende Mehrheit wach auf“.
„Schon in den 80ern und 90ern habe ich aus dem politischen Spektrum Sätze wahrgenommen, wie Deutschland den Deutschen – Ausländer raus oder rassistische Anschläge wie in Mölln, Rostock-Lichtenhagen, Solingen, Hoyerswerda“, fügte der aus dem münsterländischen Rheine stammende Journalist hinzu. „Das war kein schönes Gefühl und kommt jetzt wieder hoch.“
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