Der Friede sei mit Ihnen!
Liebe muslimische Gläubige, zum diesjährigen Ramadan und zum Fest des Fastenbrechens sende ich Ihnen im Namen der Deutschen Bischofskonferenz und der katholischen Gläubigen in unserem Land herzliche Segenswünsche.
30 Tage lang üben Sie sich darin, durch Verzicht auf Essen und Trinken dem Willen Gottes mehr Raum zu geben. Auch Gebet und Wohltätigkeit sind in dieser Zeit von großer Bedeutung. Ähnlich wie in der jüdischen und christlichen Tradition sprechen Sie davon, dass Gott die Gläubigen zur Umkehr ruft. Sie vertrauen darauf, dass er ihre Reue annimmt und ihnen seine Barmherzigkeit erweist. In diesem Jahr gibt es wieder eine terminliche Überschneidung zwischen dem muslimischen Fastenmonat und der christlichen Fastenzeit. Es ist schön, dass wir – ungeachtet aller Unterschiede – zur gleichen Zeit im Fasten, Beten und Almosengeben Gottes Gnade erbitten.
„Durch die Wüste führt Gott uns zur Freiheit“ – so lautet die Botschaft, die Papst Franziskus den katholischen Gläubigen für die diesjährige Fastenzeit mitgibt. Vielleicht liegt darin auch für muslimische Gläubige ein Wort des Trostes. Gott hat das Leid seines versklavten Volkes gesehen und ihm durch Mose neue Hoffnung geschenkt. Der Weg führt durch die Wüste der Verzweiflung: Glaube und Zuversicht scheinen zu schwinden, die Rettung schon verspielt zu sein. Doch Gott wird seines Volkes nicht überdrüssig, die Wüste erweist sich als Raum der Befreiung. Der beschwerliche Weg, den Mose mit den Israeliten zurücklegt, ist letztlich ein Weg der Umkehr und des Aufbruchs; ein Weg, wie wir ihn auch in unseren Fastenzeiten kennen. Auch heute kann der Prophet Mose, zu dem Gott der biblischen wie der koranischen Überlieferung nach gesprochen hat, als Vorbild des unerschütterlichen Gottvertrauens in Zeiten der Not gelten.
Verehrte muslimische Gläubige, in den letzten Jahren wurden die Grundfesten unseres Zusammenlebens in Deutschland, Europa und weltweit durch sich verstärkende Krisen erschüttert. Wir befinden uns geradezu in einem dauerhaften „Krisenmodus“. Mehr denn je werden daher Botschaften gebraucht, die den Menschen Anlass zu echter Hoffnung geben. Alle Versuche extremistischer Kräfte, die Krisen unserer Zeit für eine Agenda der Menschenverachtung zu nutzen, müssen wir als religiöse Menschen mit großer Entschlossenheit zurückweisen. Deshalb haben auch die deutschen Bischöfe im vergangenen Monat bei ihrer Frühjahrs-Vollversammlung in Augsburg ein klares Signal gegen Rechtsextremismus und Rassismus in unserem Land ausgesandt. Diese Erklärung soll auch als Ermutigung für ein verstärktes interreligiöses Engagement gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit verstanden werden.
Neben dem seit zwei Jahren wütenden Krieg in der Ukraine bewegen uns dieser Tage vor allem die grausamen Bilder aus dem Nahen Osten. Auf den perfiden Terror der Hamas folgten im Gaza-Streifen ein zerstörerischer Krieg und ein humanitärer Albtraum. Der Konflikt im Nahen Osten belastet auch das Miteinander der Religionsgemeinschaften in Deutschland. Umso wichtiger ist es, dass wir im Dialog bleiben, das Leid des Anderen wahrnehmen, die Hoffnung auf Frieden nicht aufgeben. Als im November 2023 Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz und der muslimischen Verbände zu ihrem jährlichen Treffen zusammenkamen, stellten sie gemeinsam fest: „Das Existenzrecht Israels steht für uns ebenso außer Frage wie das Recht der Palästinenser auf ihren eigenen Staat. Die humanitäre Lage in Gaza schreit zum Himmel. Das Blut unschuldiger Zivilisten darf nicht länger vergossen werden. Wir treten für einen Friedensprozess ein, der diesen Namen verdient. Ein dauerhaftes Ende der Gewalteskalation im Nahen Osten wird es nur durch einen gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern geben.“ Mit Blick auf die Situation in Deutschland wurde betont: „Wir verurteilen Übergriffe auf jüdische und muslimische Gotteshäuser. Mit Entschiedenheit engagieren wir uns für eine gemeinsame Zukunft jüdischen, christlichen und muslimischen Lebens und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land.“ Dieser interreligiöse Appell gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit ist weiterhin von hoher Aktualität. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Juden in Deutschland auf die Solidarität von Christen und Muslimen zählen können, wann immer sie bedroht und angegriffen werden. Lassen Sie uns ebenso dafür eintreten, dass auch Muslime die Solidarität der Anderen erfahren, wann immer ihnen Hass und Hetze entgegenschlagen. Begeben wir uns gemeinsam auf einen Weg der Geschwisterlichkeit!
Wie in den Vorjahren laden Sie und Ihre Gemeinden auch in diesem Jahr öffentlich und privat zum Fastenbrechen ein. Diese Feiern sind eine gute Tradition geworden, an denen zahlreiche Menschen gerne teilnehmen. Ich hoffe, dass sie erneut dazu beitragen, Freundschaften zu festigen, neue Perspektiven zu eröffnen und Trennendes zu überwinden. Möge der barmherzige Gott Sie und Ihre Familien in diesem Fastenmonat begleiten, möge er Ihre Gebete erhören und Ihnen gnädig sein, möge er die Umkehr gewähren, die Sie erbitten!
Die Grußbotschaft finden Sie als PDF hier
© Deutsche Bischofskonferenz
Bild: Bistum Limburg