Indonesien ab Dienstag erste Station der Mammutreise von Franziskus durch vier Länder in Südostasien-Pazifik-Region – Früherer Rektor des Afro-Asiatischen Instituts Wien im Kathpress-Interview zum interreligiösen Dialog und der Lage der Christen – Pater Solo: Papst kann gesellschaftliche Wunden heilen und zu Aussöhnung beitragen.
Vatikanstadt/Wien, 02.09.2024 (KAP) In Indonesien blicken auch viele Muslime mit großer Sympathie auf Papst Franziskus und seinen am Dienstag beginnenden Besuch im Land mit der weltweit größten islamischen Bevölkerung. “Der Papst hat mit seiner Bescheidenheit, Originalität und klaren Optionen für universale Werte viele Herzen von Muslimen und Andersgläubigen erobert”, sagte der Steyler-Pater Markus Solo (56) der Nachrichtenagentur Kathpress (Montag) im Interview. Solo, früher Rektor des damaligen Afro-Asiatischen Instituts in Wien und seit zwei Jahrzehnten in der Vatikanbehörde für interreligiösen Dialog tätig, stammt von der indonesischen Insel Flores und gehört der Papst-Delegation während der Mammutreise des 87-jährigen Franziskus durch vier Länder in der Südostasien-Pazifik-Region von 2. bis 13. September an.
Das Papstflugzeug hebt am Montagabend von Rom aus Richtung Asien ab. Erste Station für Franziskus ist von Dienstag bis Freitag Indonesien. Das Land freut sich auf den Papst, der unter den Indonesiern als Kirchenoberhaupt bekannt ist, das die Nähe zu Menschen sucht, einfach und bescheiden ist und sich unermüdlich für menschliche Werte einsetzt, erklärte Vatikanmitarbeiter Solo. Dass Franziskus auch im aktuellen Nahost-Konflikt immer wieder grundsätzlich zu einem Ende der Gewalt aufgerufen und für Frieden gebetet habe, sei von den Muslimen in Indonesien erfreut wahrgenommen worden.
Die Glaubwürdigkeit des Papstes mit seinem Einsatz für Menschlichkeit, Frieden und Gerechtigkeit könne auch in Indonesien gesellschaftliche Wunden heilen und zu einer Aussöhnung beitragen – gerade nach der jüngsten Präsidentschaftswahl, bei der Machtstreben, Polarisierung, Hass und auch die Instrumentalisierung der Religion auf der Tagesordnung gestanden seien, schilderte der Ordensmann der Steyler Missionare.
Solo ist an der Römischen Kurie für den christlich-muslimischen Dialog, vor allem mit dem Islam in Asien und Ozeanien, mitverantwortlich. Die 45. Auslandsreise des Papstes führt durch Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur und ist sowohl nach Dauer als auch zurückgelegten Flug-Kilometern die bisher längste Reise im elfjährigen Pontifikat.
Papst in größter Moschee Südostasiens
Gleich zu Beginn stehen ab Dienstag in Jakarta neben den Begegnungen mit der Ortskirche vor allem die Beziehungen zum Islam im Fokus. Während des Aufenthalts in der indonesischen Metropole wird der Papst am Donnerstag in der größten Moschee Südostasiens einer interreligiösen Feier mit Vertretern aller staatlich anerkannten Glaubensrichtungen vorstehen.
Die Moschee steht direkt gegenüber der katholischen Kathedrale von Jakarta, seit kurzem verbindet ein “Freundschaftstunnel” die beiden Gotteshäuser. Das interreligiöse Treffen, bei dem Religionsführer auch eine vom Abu-Dhabi-Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen inspirierte Erklärung unterzeichnen werden, ist einer der Höhepunkte der Papstreise, wie auch Kurienarbeiter Solo bestätigte. “Es ist zu hoffen, dass dieses große Treffen Indonesien ermutigt, Fehler der Vergangenheit anzuerkennen und zu korrigieren, und mehr neuen Schwung im Einsatz für das friedliche Zusammenleben gibt.”
Islam in Indonesien “anders”
Der Islam in Indonesien gilt traditionell zwar als gemäßigt und Regierung sowie Religionsgemeinschaften sind im interreligiösen Dialog aktiv. In den vergangenen Jahren haben jedoch radikal-islamische Strömungen an Einfluss gewonnen. Die Staatsphilosophie Pancasila mit dem nationalen Motto der “Einheit in der Vielfalt” werde von vielen Radikalen nicht mehr akzeptiert, warnt auch Pater Solo vor einer besorgniserregenden Entwicklung.
Viele junge Muslime seien in Schulen oder Universitäten radikalisiert worden, die Sozialen Medien verschlimmerten die Situation, so der Experte für interreligiösen Dialog. Solo hebt aber auch hervor, dass der Islam in Indonesien eine sehr breite moderate Basis habe. Er verweist auf die Kontakte zu den größten moderaten indonesischen Islam-Organisation Nahdlatul Ulama (NU) und Muhammadiyyah. “Mit denen arbeiten wir zusammen, um das Gewaltpotenzial der Radikalen zu mindern.”
Die große Mehrheit der Muslime in Indonesien sei friedlich. “Sie leben den Islam, der die indonesische Seele verkörpert, die tolerant ist, freundlich, bescheiden, inklusiv und dialogbereit”, sagte Solo. Der indonesische Islam sei anpassungsfähig. “Das macht ihn anders als Islam in der arabischen Welt.”
Dennoch ist die Lage in den verschiedenen Regionen Indonesiens mit seinen 17.000 Inseln sehr unterschiedlich. Auch der zahlenmäßige Anteil von Muslimen und Christen in der Bevölkerung unterscheidet sich. Mancherorts begegneten die Menschen anderen Religionen mit Unverständnis, Respektlosigkeit oder gar Hass, in politischen Krisen werde Religion auch instrumentalisiert, erklärte Solo. Spannungen zwischen Muslimen und Christen gebe es eher auf der Insel Java, Sumatra, Maluku und manchmal in Kalimantan (Borneo). Anderswo, etwa in der als Kleine Sundainseln bekannten Provinz Nusa Tenggara Timur, wo Christen die Mehrheit sind, herrscht eine gute Atmosphäre des Zusammenlebens verschiedener Religionen.
Christen in der Minderheit
Mit etwas mehr als 8 Millionen Gläubigen machen die Katholiken in Indonesien eine kleine Minderheit unter den rund 280 Millionen mehrheitlich muslimischen Einwohnern aus. Alle Christen zusammen stellen gut zwölf Prozent der Bevölkerung. Neben dem Islam sind fünf weitere Religionen beziehungsweise Konfessionen offiziell anerkannt: neben den Katholiken sind das Protestanten, Buddhisten, Hindus und Anhänger des Konfuzianismus.
Religionsfreiheit und konkret die Freiheit, den Glauben zu praktizieren, sind also auch für Katholiken per Verfassung garantiert. “In der Realität ist das jedoch oft anders”, sagte Pater Solo vor allem mit Blick auf Terroranschläge muslimischer Fundamentalisten in den vergangenen Jahren.
Abseits solcher blutigen Ereignisse sei aber beispielsweise auch der Bau von Kirchen in vielen Teilen Indonesiens wegen der komplizierten staatlichen Regulierungen ein großes Problem. Bauverfahren würden verhindert oder erschwert bis hin zur Forderung finanzieller Zahlungen, berichtete Solo. “Oder passiert es auch, dass am nächsten Tag plötzlich ein Plakat vor der Kirche hängt, wo es heißt, diese Kirche muss sofort abgerissen werden, weil sie nicht über eine Erlaubnis verfügt.”
Überfüllte Kirchen
Er hoffe, dass der Papstbesuch die indonesischen Katholiken ermutigt, trotz aller Schwierigkeiten dem Glauben treu zu bleiben und unermüdlich einen Beitrag für das Gemeinwohl zu leisten, sagte der Vatikanexperte im Kathpress-Interview. Die katholische Ortskirche in seinem Heimatland sei durch die Art und Weise, wie die Menschen ihren Glauben leben “unglaublich frisch und begeisternd” und von einer starken Dynamik gekennzeichnet, so Pater Solo. “Die Kirchen sind überfüllt mit Gläubigen. In den Großstädten werden Gottesdienste mehrmals täglich und auch mit Übertragung auf Großleinwände gefeiert. Pfarrheime sind nie leer, sie sind Tag und Nacht voll mit Menschen.” Die Kirche sei “Symbol des Zusammenhalts, der Gemeinschaft, des Lebens und der Hoffnung”.
Papst “umarmt” Menschen an Peripherie
Mit der zwölftägigen Reise durch Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur wolle Papst Franziskus “die Kirche in der Peripherie umarmen”, so Solo weiter. Von Rom aus betrachtet, sei die Weltregion, in der diese vier Länder liegen, nicht nur geografisch, sondern auch gedanklich lange Zeit sehr weit weg gewesen. Franziskus habe dies zunächst auch mit der Neu-Ernennung der Kardinäle William Goh (Singapur), Virgilio do Carmo da Silva (Osttimor), John Ribat (Papua-Neuguinea) und Ignatius Cardinal Suharyo (Indonesien) versucht zu ändern. “Jetzt drückt er seine Nähe und Zuneigung noch einmal aus, indem er seine längste Reise bisher antritt, um die Katholiken vor Ort zu treffen, ihnen zuzuhören, und ihnen in den vielfältigen Herausforderungen aus Minderheitssituation und Armut Mut und Hoffnung zuzusprechen.”
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