„Machen wir in unserer Gesellschaft gelebte Geschwisterlichkeit erfahrbar“
Auf Einladung der Deutschen Bischofskonferenz hat heute (11. April 2025) in Hamburg zum sechsten Mal der Jahresempfang für die Partnerinnen und Partner im christlich-islamischen Dialog stattgefunden. Im Jahr des 60. Jubiläums der Konzilserklärung Nostra aetate stand dabei die Entwicklung der Beziehungen zwischen Christen und Muslimen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil im Mittelpunkt.
Den Auftakt bildete ein gemeinsames Abendgebet im Kleinen Michel. Im Anschluss begrüßte der Vorsitzende der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), die rund 120 Gäste in der Katholischen Akademie Hamburg. In seiner Eröffnungsansprache erinnerte er an die bleibende Bedeutung von Nostra aetate als Orientierung für den interreligiösen Dialog: „An erster Stelle steht der wertschätzende Blick auf den Anderen. In einem weiteren Schritt gilt es dann, sowohl religiöse Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zu reflektieren. Denn Dialog heißt nicht, seine Religion aufzugeben, sondern kann sogar eine Vertiefung des eigenen Glaubens bedeuten. Und schließlich bieten gerade Konflikterfahrungen einen drängenden Anlass, im Hier und Jetzt an die geteilte Verantwortung der Religionen für das Gemeinwohl zu erinnern und sich gemeinsam zu engagieren. […] Machen wir in unserer Gesellschaft gelebte Geschwisterlichkeit erfahrbar, seien wir miteinander solidarisch!“
Mit Blick auf die Entwicklung des Dialogs in Deutschland stellte Bischof Meier fest: „In Kirchengemeinden, aber auch in kirchlichen Wohlfahrtsverbänden und Bildungseinrichtungen hat sich über die Jahre ein vielfältiger Dialog des Lebens entwickelt. Oft sind es gerade die ‚Graswurzel‘-Bewegungen, die den interreligiösen Dialog lebendig halten.“ Seinen ausdrücklichen Dank richtete er an alle, die sich auch in herausfordernden Zeiten engagiert für den Dialog einsetzen.
Ein Grußwort sprach Imam Mounib Doukali im Namen der Schura Hamburg. Er betonte die Verantwortung für den Dialog aus muslimischer Sicht: „Zu den Zielen des Dialogs im Koran gehört die Konkurrenz um die rechtschaffenen Taten: ‚Und wenn Allah gewollt hätte, hätte er euch wahrlich zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Aber es ist so, damit er euch in dem, was er euch gegeben hat, prüfe. So wetteifert nach den guten Dingen‘ (Sure 5:48). Daher bin ich der festen Überzeugung, dass Respekt, Aufrichtigkeit und Begegnung auf Augenhöhe zu den Voraussetzungen eines erfolgreichen Dialogs gehören.“
Im Zentrum des Abends stand ein christlich-muslimisches Tandemgespräch zwischen Bundesministerin a. D. Annette Schavan und Prof. Dr. Armina Omerika (Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam, Universität Frankfurt a. M.). Die Moderation übernahm Dr. Stephan Loos (Katholische Akademie Hamburg). Annette Schavan verwies – auch vor dem Hintergrund ihrer früheren Tätigkeit als deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl – auf die bleibende Relevanz des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Das Konzil setzt einen neuen Ton. Das Potenzial, das darin steckt, ist noch lange nicht ausgeschöpft, vor allem beim Dienst der Religionen für den Frieden.“ Mit Blick auf den Prozess zum Aufbau einer islamischen Hochschultheologie, der in ihrer Zeit als Bundesbildungsministerin initiiert wurde, resümierte sie: „Islamische Theologie an Universitäten in Deutschland war ein wichtiger Schritt, weil Wissenschaft klärt und aufklärt.“
Prof. Dr. Armina Omerika hob hervor, dass der Dialog auch innerhalb der Religionsgemeinschaften bedeutsame Entwicklungen anstoßen könne: „Der interreligiöse Dialog, der seit einigen Jahrzehnten gerade in Deutschland sowohl in der Praxis als auch auf akademischer Ebene aktiv stattfindet, beeinflusst nicht nur die Beziehungen zwischen den Religionen, sondern wirkt auch stark nach innen: Er verändert die Binnendiskurse, Positionen und Konstellationen auch innerhalb der jeweils eigenen religiösen Gemeinschaft.“ Ebenso werde der Dialog gebraucht, um gegenwärtigen Tendenzen der identitären Abschottung, der ideologischen Verhärtung und der gesellschaftlichen Fragmentierung entgegenzuwirken.
Neben den inhaltlichen Impulsen kam auch die geistliche Dimension des Dialogs zur Geltung. So wurde im Rahmen des katholischen Abendgebets ein Text des muslimischen Mystikers Dschalal ad-Din Rumi vorgetragen. Das Ensemble Anima Shirvani verband musikalisch Elemente westlicher und östlicher Traditionen und gab der Begegnung eine besondere klangliche Tiefe.
Hintergrund
Im Jahr 2018 hat die Deutsche Bischofskonferenz zusammen mit ihrer Fachstelle Christlich-Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) erstmals zu einem bundesweiten Empfang für die Partner im christlich-islamischen Dialog eingeladen. Ziel ist es, unterschiedliche Dialog-Akteure zusammenzubringen, geistliche und theologische Perspektiven der christlich-islamischen Begegnung zu stärken und ein Zeichen des geschwisterlichen Miteinanders zu setzen. Die Begegnung findet jeweils in zeitlicher Nähe zum Hochfest „Mariä Verkündigung“ statt (25. März).
Mit der Erklärung Nostra aetate vom 28. Oktober 1965 hat das Zweite Vatikanische Konzil das theologische Fundament für ein neues Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum, zum Islam und zu weiteren nichtchristlichen Religionsgemeinschaften gelegt. Auf dieser Grundlage weiß sich die katholische Kirche heute weltweit dem interreligiösen Dialog verpflichtet.
© Deutsche Bischofskonferenz
Bild: Deutsche Bischofskonferenz / Marko Orlovic