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Imam und Pastorin trösten gemeinsam – Modellprojekt mit Lerneffekt

27. August 2025
Christlich, interreligiös, Islam, Schweiz, Seelsorge
https://pixabay.com/de/illustrations/berg-landschaft-schnee-natur-5431950/

Wenn Verständigung sichtbar wird

Was passiert, wenn Religionen sich zusammentun? In Zürich arbeiten christliche und muslimische Seelsorgende Hand in Hand. Das Modell soll jetzt Schule machen – auch außerhalb der Schweiz.

Von Magdalena Thiele (KNA)

Zürich (KNA) In einer Zeit, in der Religion in der Gesellschaft an Einfluss verliert, gewinnt die interreligiöse Zusammenarbeit in der Seelsorge zunehmend an Bedeutung. Besonders eindrücklich zeigt sich dies im Kanton Zürich: Dort koordinieren christliche und muslimische Seelsorger gemeinsam ein Modellprojekt, das nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auch weit darüber hinaus Strahlkraft entfalten soll. “Wir sind jetzt bereit, unser Wissen und unsere guten Erfahrungen weiterzugeben”, sagt Muris Begovic, Präsident der Vereinigung Islamischer Organisationen in Zürich (VIOZ).

Dass hier Christentum und Islam gemeinsam am Krankenbett stehen, ist keine Selbstverständlichkeit – und gerade deshalb wirkungsvoll. Der Anstoß war kein rein spiritueller, sondern politisch motiviert, erläutert Sabine Zgraggen, Theologin und Dienststellenleiterin der Spital- und Klinikseelsorge
der Katholischen Kirche des Kantons: “Der gestiegene Anteil der muslimischen Bevölkerung in der Schweiz hat die Religionsministerin dazu veranlasst, für mehr Gerechtigkeit und ein friedliches Miteinander unter den Religionen zu sorgen – auch in finanzieller Hinsicht.”

Dass muslimische Seelsorgende nun bezahlt in Krankenhäusern arbeiten können, ist für sie ein wichtiger Fortschritt. Von ihrem Team sei schon zuvor auf Wunsch eines Patienten ein Imam gerufen worden. Dem bosnischen Imam Begovic ist wichtig zu betonen, dass sich die Zusammenarbeit organisch entwickelt habe: “Den interreligiösen Dialog gibt es schließlich, solange es religiöse Vielfalt gibt. Die Zusammenarbeit hat keinen bestimmten Auslöser, sondern ist unsere Antwort auf gesellschaftliche Entwicklungen.”

Dass das Projekt nicht nur funktioniert, sondern auch beispielgebend sein kann, liegt für beide an zwei Punkten: Unvoreingenommenheit und Offenheit dem anderen gegenüber. Für Zgraggen ist klar: “Wir müssen heute auch für Menschen da sein, die sich keiner Religion zugehörig fühlen. Die Zahl dieser Menschen wächst. Gleichzeitig steigt der Bedarf an spirituellem Beistand.” Deshalb hat sich die Spitalseelsorge im Bereich Spiritual Care professionalisiert – eine Hinwendung zu ganzheitlicher Begleitung jenseits konfessioneller Grenzen.

Natürlich bringe interreligiöse Kooperation auch Herausforderungen mit sich. “Wie geht der andere mit Schuldgefühlen um oder dem Gefühl, von Gott bestraft zu werden?”, nennt Zgraggen beispielhaft. Fragen, über die an theologischen Fakultäten noch wenig gelehrt werde. Diese Auseinandersetzung sei fruchtbar: “Wir stellen so viele Gemeinsamkeiten wie Unterschiede fest.”

“Oft legen die Patienten die Unterschiede fest, etwa bei der Nachfrage nach bestimmten Ritualen oder in der Gesprächsführung”, ergänzt Begovic. Entscheidend sei eine gewisse Kultursensibilität – auch im gegenseitigen Verständnis. Diese Haltung sei es, die dem Zürcher Modell seine besondere Stärke verleihe: Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Das Projekt wirbt inmitten von Krisen und Polarisierung für ein friedliches Miteinander. “Unsere Arbeit ist stärker als jede schriftliche Erklärung. Wenn eine katholische Seelsorgerin mit einer muslimischen Kollegin durchs Spital geht, ist das ein sichtbares Zeichen gelebter Verständigung”, sagt Begovic. Zgraggen sieht es ähnlich: “Friedensarbeit beginnt im Kleinen. Wenn wir uns Zeit nehmen, jemandem zuzuhören,
heilen wir Wunden, die sonst zu Sprachlosigkeit, Wut oder sogar Gewalt führen können.” Die Erzählungen aus Bibel und Koran könnten trösten – und einen Dialog eröffnen.

Beide Koordinatoren blicken dankbar auf ihren gemeinsamen Weg. Zgraggen gesteht, dass sie die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit anfangs unterschätzt habe: “Ich dachte, wir seien als christliche Seelsorge gut genug aufgestellt und ziehen andere Religionen nur bei explizitem Bedarf heran. Heute
weiß ich: Die muslimischen Kollegen sind eine echte Bereicherung.”

© KNA

Bild von Kieselli auf Pixabay

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