Liebe Leserinnen und Leser,
die Entwicklungen im christlich-islamischen Dialog bleiben von einer doppelten Dynamik geprägt: Der Suche nach Verständigung und theologischer Vertiefung stehen politische und gesellschaftliche Spannungen gegenüber, die Religion oft in den Sog der Polarisierung ziehen. Umso bedeutsamer sind Beiträge, die konstruktive, friedensorientierte Perspektiven aufzeigen. Ohne Frieden zwischen den Religionen gibt es keinen Frieden zwischen den Nationen – und genau hier setzt der interreligiöse Dialog an.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der jüngste „Aufruf der Leute der Qibla“, der im Februar dieses Jahres auf einer Konferenz zum innermuslimischen Dialog in Bahrain verabschiedet wurde. U. a. vom Muslimischen Ältestenrat unterzeichnet, ist er ein konfessionsübergreifender Appell an die gesamte muslimische Gemeinschaft, als eine Gemeinschaft (umma) zusammenzuwachsen und gewaltsame Auseinandersetzungen ebenso wie dogmatische Spaltungen zu über winden. Daniel Roters ordnet diesen
Aufruf in seinem Kommentar theologisch ein und macht deutlich, dass er als Zeichen einer besonnenen Versöhnung zu verstehen ist, gerade in Zeiten, in denen an vielen Orten religiös e Rhetorik zur Eskalation instrumentalisiert wird.
Ebenfalls brückenbauende Überlegungen entwirft Milad Karimi, der im Rahmen der Ringvorlesung Islam im Angesicht des Christentums an der Universität Münster die Möglichkeit einer abrahamitischen Theologie diskutierte. Karimi denkt aus einer dialogischen und gemeinsamen theologischen Perspektive: das verbindende Potenzial der abrahamitischen Traditionen als Basis für Verständigung – ein Ansatz, der eindrücklich zeigt, wie Solidarität über Religionsgrenzen hinweg theologisch begründet werden kann. Ein dritter Beitrag widmet sich den konkreten juristischen Rahmenbedingungen des Islam in Deutschland. Markus Schulten untersucht Verträge zwischen muslimischen Gemeinschaften und Bundesländern und analysiert insbesondere den Ende 2024 geschlossenen Vertrag des Landes Rheinland-Pfalz mit vier muslimischen Partnern. Sein Beitrag beleuchtet Chancen und Herausforderungen dieser Vertragsform und ihre Bedeutung für die Anerkennung muslimischer Akteure als institutionelle Partner des Staates.
Die hier versammelten Beiträge zeigen: Christlich-islamischer Dialog ist kein Luxusprojekt, sondern eine notwendige Arbeit an den Grundlagen von Zusammenleben, politischer Ordnung und theologischer Identität. Er geschieht in Erklärungen, im Nachdenken über gemeinsame Traditionen und in konkreten juristischen Schritten – und er bleibt unverzichtbar, gerade in Zeiten der weltweiten Zuspitzung.
Möglich wurde dies jenseits der Pionierarbeit Einzelner mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. In diesem Jahr jährt sich die Veröffentlichung von Nostra aetate zum 60. Mal. Das Konzilsdokument markiert den kirchlichen Paradigmenwechsel im Verhältnis zu anderen Religionen und ist bis heute Grundlage und Verpflichtung für den christlich-islamischen Dialog. Die gegenwärtigen Entwicklungen führen uns eindrücklich vor Augen, wie aktuell und unverzichtbar dieser Impuls bleibt – für Frieden, Solidarität und Versöhnung, wie Papst Leo XIV. in seiner Ansprache zum 8. Kongress der Führer der Weltreligionen und traditionellen Religionen hervorhob. In diesem Sinne wünsche ich viel Freude bei der Lektüre dieses Heftes.
Ihr Timo Güzelmansur
Inhalt
Studien
Abrahamitische Theologie oder: Was ist eine interreligiöse Theologie?
Ahmad Milad Karimi
Vollendete Gleichstellung oder nur symbolischer Handschlag?
Verträge zwischen muslimischen Gemeinschaften und den Bundesländern
Markus Schulten
Aufruf and die Leute der Qibla – ein Kommentar
Daniel Roters
Dokumentation
Aufruf an die Leute der Qibla. Eine Umma und ein gemeinsames Schicksal
Manama, 20. Februar 2025
Eine Gemeinschaft, ein gemeinsames Schicksal. Empfehlungen der Konferenz zum innerislamischen Dialog
Manama, 20. Februar 2025
Segenswünsche der Deutschen Bischofskonferenz an Aleviten zum Muharrem-Fasten und Asure-Fest 2025
Bonn, 26. Juni 2025
Botschaft von Papst Leo XIV. an die Teilnehmenden des 8. Kongresses der Führer der Weltreligionen und traditionellen Religionen
28. April 2025
Berichte
Religionen und Zeitalter des (Rechts-)Populismus. CITRS Summer School 2025, Berlin, 14.-17. Juli 2025
Marie Raßmann
The Concept of Spirit and Matter in Judaism, Christianity and Islam. Tagung der Konferenzreihe Key Concepts in Interreligious Discourses (KCID), Erlangen, 25.-26. Juni 2025
Aida Sljivic
Buchbesprechungen
Damir-Geilsdorf, Sabine: Islamismus. Eine Einführung
Sebastian Prinz
Isis-Arnautovic, Esma: Vom Menschenbild zum Paradigma. Zur Begründbarkeit einer theologische Anthropologie im Islam
Tobias Specker SJ
Literaturhinweise
Zeitschriftenschau





