Liebe Leserinnen und Leser,
„wir sind verängstigt und fühlen uns verloren. Wie die Jünger des Evangeliums wurden wir von einem unerwarteten heftigen Sturm überrascht. Uns wurde klar, dass wir alle im selben Boot sitzen, alle schwach und orientierungslos sind, aber zugleich wichtig und notwendig, denn alle sind wir dazu aufgerufen, gemeinsam zu rudern, alle müssen wir uns gegenseitig beistehen. Auf diesem Boot … befinden wir uns alle …“ Mit diesen Worten beschrieb Papst Franziskus die Situation der Menschen angesichts der Pandemie, verursacht durch Covid 19, als er am 27. März 2020 eine Gebetsstunde hielt und dabei den außerordentlichen Segen „Urbi et Orbi“ spendete. Ebenfalls rief der „Hohe Ausschuss für die menschliche Geschwisterlichkeit“ alle Menschen zum Gebet am 14. Mai 2020 und zur Unterstützung von Betroffenen auf, gleich welcher Religion sie angehören. Der Aufruf fand weltweit ein beachtliches Echo, so auch in Deutschland. Vertreter aus den christlichen Konfessionen, dem Judentum, Islam, Buddhismus und Bahaitum haben sich in einem Gebetsvideo der Initiative angeschlossen. Dieses Gebetsanliegen aufgreifend und unterstützend fanden auch „online-Iftar-Aktionen“ statt – eine seltsame Wortschöpfung, die ab er die Kreativität in diesen Zeiten aufzeigt. Das alles sind erfreuliche Zeichen der interreligiösen Solidarität in herausfordernden Zeiten.
Die Pandemie und die damit einhergehenden Hygiene- und Schutzmaßnahmen, aber auch Versammlungsverbote haben es, zu unser aller Sicherheit, unmöglich gemacht, hohe religiöse Feiertage wie Passah, Ostern oder Ramadan in der Gemeinschaft bzw. in den Gebetsstätten zu begehen. Die Bedeutung von Kultorten für das religiöse Leben der Einzelnen, aber auch der Gemeinschaft rückte wieder in den Mittelpunkt. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog in seiner Botschaft anlässlich des Ramadans den Schutz der Gebetsorte hervorgehoben hat und an die Worte des Dokuments von Abu Dhabi erinnerte: „Der Schutz der Gottesdienststätten – Tempel, Kirchen und Moscheen – ist eine von den Religionen, den menschlichen Werten, den Gesetzen und den internationalen Konventionen gewährleistete Verpflichtung. Jeder Versuch, die Gottesdienststätten anzugreifen oder sie durch Attentate oder Explosionen oder Zerstörungen zu bedrohen, ist eine Abweichung von den Lehren der Religionen sowie eine klare Verletzung des Völkerrechts.“ Als religiöse Menschen und Bewohner dieser Erde sitzen wir alle im selben Boot und haben eine gegenseitige Verantwortung füreinander, indem wir Versammlungsorte vermeiden und Abstand halten, aber gleichzeitig unsere Blicke und Aufmerksamkeit für den Nächsten schärfen. Vielleicht kann dabei der Text von Hans Vöcking in dieser Ausgabe über die Legende der „Siebenschläfer“ in diesen Zeiten Trost schenken und Hoffnung auf bessere Zeiten geben.
In diesem Sinne viel Freude bei der Lektüre dieses Heftes und bleiben Sie gesund!
Ihr Timo Güzelmansur
Inhalt
Studien
Christen und Muslime vor ihrer Höhle der Siebenschläfer
Hans Vöcking MAfr
Gespräche, die verändern. Eine Methodik für den islamisch-christlichen Dialog in der religiösen Sozialphilosophie
Gonzalo Villagrán SJ
Glaube versus Unglaube – Wer sind die Ungläubigen? Eine Reflexion der Kriterien für religiöse Gemeinschaften
Bertram Schmitz
Dokumentation
Botschaft des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog zum Monat Ramadan
Vatikanstadt, 17. April 2020
Grußbotschaft des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zum muslimischen Fastenmonat Ramadan 2020
Bonn, 23. April 2020
Grußwort zum Fastenmonat Ramadan 2020 des Ratsvorsitzenden der EKD
Hannover, 21. April 2020
Grußbotschaft des Bundespräsidenten zum Fest des Fastenbrechens
Berlin, 22. Mai 2020
Frauen: Bereiterinnen menschlicher Geschwisterlichkeit
Abschließende Stellungnahme der Interreligiösen und Ökumenischen Konferenz „Women Makers of Human Fraternity“, Rom, 3. März 2020
Berichte
The Concept of Good and the Concept of Evil in Judaism, Christianity and Islam. Tagung des KCID, 12.–14. Januar 2020
Katja Thörner
Theologie – gendergerecht? Perspektiven für Islam und Christentum. Theologisches Forum Christentum – Islam, 6. bis 8. März 2020
Alexandra Morath
Buchbesprechungen
Al-Daghistani, Raid: Muhammad al-Ġazālī. Erkenntnislehre und Lebensweg
Dirk Ansorge
Steinberg, Rudolf: Zwischen Grundgesetz und Scharia. Der lange Weg des Islam nach Deutschland
Sebastian Prinz
Wintzek, Oliver/Wiesenhütter, Lukas: Was Christen und Muslime glauben. Wissenswertes im Vergleich
Christian W. Troll SJ
Literaturhinweise
Zeitschriftenschau