Erklärung des Runden Tisches der Religionen in Deutschland zum Krieg in der Ukraine
Diese Wochen sind in unseren Religionen eine zentrale Festzeit: Pessach im Judentum, Ostern im Christentum, Ramadan im Islam, Neujahr im Buddhismus, Ridvan in der Baha’i-Religion. Jedes Fest enthält eine Heilsbotschaft: Pessach die Freiheitsbotschaft der Torah, Ostern die Lebensbotschaft des Evangeliums, Ramadan die Friedensbotschaft des Koran, die Verbundenheit alles Existierenden im Buddhismus, das Ridvan-Fest die Verkündigung der Einheit der Menschheit.
Was in der Ukraine gegenwärtig geschieht, steht diesen Botschaften diametral entgegen: ein brutaler Angriffskrieg, Bombardements mit ihren Zerstörungen ganzer Städte und dem Tod tausender ziviler und militärischer Opfer, Angst und Schrecken für Millionen Menschen, die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, in den letzten Tagen auch die Bilder schwerwiegender Kriegsverbrechen.
Wir fordern, dass die völkerrechtswidrige Aggression sofort beendet wird und Wege zu einem gerechten Frieden beschritten werden. Alle Angriffe – insbesondere auf die Zivilbevölkerung – sind sofort einzustellen. Unsere religiösen Traditionen lehren uns, das Leben zu achten und zu schützen. Wir sind der festen Überzeugung, dass ein Angriffskrieg niemals religiös gerechtfertigt werden darf.
Unsere Solidarität gilt allen notleidenden Ukrainerinnen und Ukrainern. Als Religionsgemeinschaften in Deutschland setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass die vielen Geflüchteten eine menschenwürdige Aufnahme finden. Dabei knüpfen wir an die Erfahrungen der Jahre 2015/2016 an: Dank des starken Engagements von Religionsgemeinschaften und Zivilgesellschaft konnten seinerzeit viele Herausforderungen bewältigt werden. Heute stehen wir erneut in der Pflicht, schutzsuchenden Menschen ein Willkommen in unseren Gemeinden zu bieten.
Was können wir tun?
Wir unterstreichen die Verantwortung der Religionen, für Frieden einzustehen, Hass zu überwinden und an jedem Ort der Welt die Herzen zusammenzuführen.
Wir bitten und beten für die Kinder, die Frauen und die Männer, die getötet und verletzt werden und die aus ihrer Heimat fliehen müssen.
Wir bitten und beten für die Soldatinnen und Soldaten auf beiden Seiten, die zum Kämpfen gezwungen sind – die einen, weil ihre Führung sie in einen Angriffskrieg schickt, die anderen, weil sie ihre Heimat verteidigen.
Wir bitten und beten für ihre Familien, die geliebte Menschen bei den Kämpfen verloren haben und verlieren.
Wir denken an unsere Geschwister im Glauben in der Ukraine und in Russland. Im Krieg verlieren wir alle, und die Folgen werden noch viele Jahre lang spürbar sein. Wir bitten insbesondere um Kraft für die Religionsgemeinschaften in Russland, aufzustehen gegen den Krieg und für den Frieden einzutreten.
Wir vertiefen die Verbindungen zu den Menschen in der Ukraine und in Russland auf allen Wegen, auf denen es möglich ist.
Wir leisten konkrete Unterstützung für die Menschen aus der Ukraine: sei es durch Nothilfe im Krisengebiet oder durch die Aufnahme und Begleitung von Geflüchteten in Deutschland.
Wir bitten und beten für die Politiker und Politikerinnen in der Welt. Mögen sie zu klugen Entscheidungen kommen und in ihrem Engagement nicht nachlassen, um den Krieg zu beenden und eine globale Katastrophe abzuwenden. Mögen sie die Weisheit besitzen, einen gerechten und nachhaltigen Weg zum Frieden zu finden.
Der Runde Tisch der Religionen in Deutschland ist ein Gremium aus Vertretern der Religionsgemeinschaften in Deutschland (www.runder-tisch-der-religionen.de). Ihm gehören an:
aus der evangelischen Kirche: Bischöfin Kirsten Fehrs (Hamburg), Bischof em. Prof. Dr. Martin Hein (Kassel), Dr. Detlef Görrig (Hannover);
aus der katholischen Kirche: Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), Dr. Timo Güzelmansur (Frankfurt), Dr. Alexander Kalbarczyk (Bonn);
aus der orthodoxen Kirche: Prof. Dr. Assad Elias Kattan (Münster);
aus der muslimischen Glaubensgemeinschaft: Dr. Zekeriya Altuğ (DITIB, Köln), Ahmad Aweimer (Zentralrat der Muslime in Deutschland, Bochum), Burhan Kesici (Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, Berlin);
vom Zentralrat der Juden in Deutschland: Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama (Berlin);
vom Nationalen Geistigen Rat der Bahá’i: Dr. Nicola Towfigh (Münster);
von der Deutschen Buddhistischen Union: Dr. Carola Roloff (Hamburg).
Geschäftsführer: Dr. Franz Brendle (Stuttgart)
Stellv. Geschäftsführer: Prof. Dr. Johannes Lähnemann (Goslar)
Aktuelle Veröffentlichung: F. Brendle (Hg.): „Geschwisterlich und solidarisch – zum Auftrag der Religionen in Zeiten der Krise“ (EB-Verlag Dr. Brandt, Berlin 2021).
Beitragsbild: engin akyurt via unsplash.com