Liebe Leserinnen und Leser,
unter dem Motto „den Frieden wagen“ versammelte die katholische Friedensbewegung Sant’Egidio hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Religionen und Kulturen und aus dem politischen Spektrum vom 10.–12. September 2023 in Berlin. Das Treffen stand in der Kontinuität des Geistes von Assisi, Engagement für Frieden und Verständigung zu fördern. Wie fragil Frieden sein
kann und wie schnell Brücken zerschlagen werden können, zeigte sich am 7. Oktober! Der br utale Angriff der Terrororganisation Hamas auf Menschen in Israel, wahllose Ermordung und Verschleppung von sogar Kindern einen weiteren zivilisatorischen Tiefpunkt an Verachtung gegenüber vor allem jüdischen Menschen an den Tag. Eine Vorgehensweise, die zuletzt von den Terroristen des sog. „Islamischen Staates“ angewendet wurde. Den Terroristen müsste die Reaktion des israelischen Staates klar gewesen sein. Dass die aus Israel in den Gazastreifen verschleppten Menschen gegen Inhaftierte aus Palästina in Israel ausgetauscht werden, ist eine gute Nachricht für die Familien, die ihre Angehörigen in die Arme schließen dür fen. Dass die Ereignisse im Nahen Osten weltweite Auswirkungen haben, dürfte niemanden wundern. Allerdings ist es mehr als enttäuschend, dass führende und sich für solche haltende islamische Autoritäten zum Beispiel in Kairo und Ankara mit ihren Reaktionen und ihrer antisemitischen Rhetorik sehr negativ aufgefallen sind. Leider sind diese Äußerungen keine Hilfe für den Dialog und die Verständigung. Umso ermutigender ist, dass sich einige islamische Organisationen in Deutschland klar zu den Ereignissen positioniert haben. Wir müssen uns jeglicher Form von Gewalt, aber auch allen Vorformen, wie stereotypen Verzerrungen, die in diesem Konflikt auch in Deutschland auftreten, entschieden entgegensetzen. Antisemitismus, antimuslimischer Rassismus und jegliche Fremdenfeindlichkeit haben in Deutschland keinen Platz! Daher sind Erklärungen wie die zwischen der Unterkommission für
den Interreligiösen Dialog der DBK und dem KRM in Deutschland richtungweisend: „Mit Entschiedenheit engagieren wir uns für eine gemeinsame Zukunft jüdischen, christlichen und muslimischen Lebens und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land.“ (dokumentiert in diesem Heft)
Den jordanischen Prinzen Ghazi bin Muhammad könnte man als einen Brückenbauer für Frieden und Verständigung wischen den Religionen bezeichnen. Auf seine Initiative hin haben mittlerweile mehr als 19.000 Menschen den Aufruf „A Common Word“ für mehr Dialog zwischen Muslimen und Christen aus dem Jahr 2007 unterschrieben. In dieser Ausgabe dokumentieren wir seinen Vortragstext zum Thema Liebe im christlich-islamischen Kontext, den er im Rahmen der ersten AnnemarieSchimmel-Lecture von 12.–14. Juni in Bonn gehalten hat. Im September 2023 jährte sich die Erklärung zum Weltethos zum 30-ten Mal. Gerhard Neuhaus reflektiert den möglichen christlichen Beitrag zum Projekt Weltethos. Martin Rötting nimmt das Berliner Drei-ReligionenProjekt „House of One“ in den Blick. Anhand von zahlreichen Interviews zeichnet er nach, aus welchen theologischen, gesellschaftlichen und politischen Motivationen heraus sich Menschen in dieser Initiative engagieren.
Eine Ausgabe mit vielen Impulsen für das Gelingen des interreligiösen Gesprächs, das in diesen Zeiten wichtiger denn je ist und nicht abbrechen darf. Dankbar blicken wir auf ein ereignisreiches Jahr 2023 mit vielen bereichernden Begegnungen und manchen Herausforderungen zurück und wünschen allen Feiernden gesegnete Weihnachten und einen guten Start in das Jahr 2024.
In diesem Sinne wünscht eine gute Lektüre dieses Heftes
Ihr Timo Güzelmansur
INHALT
Studien
Was ist Liebe? Die erste Annemarie-Schimmel-Lecture
Prinz Ghazi bin Muhammad
Der Beitrag des christlichen Wahrheitsanspruchs zu einem „Weltethos“.
Gerd Neuhaus
Gesellschaftliche Perspektiven auf das House of One-Projekt in Berlin.
Exemplarische Studien zur Innen- und Außenwahrnehmung
Martin Rötting
Dokumentation
Auszüge aus der Ansprache von Papst Franziskus auf dem ökumenischen und interreligiösen Treffen
Ulaanbaatar, 3. September 2023
Auszüge aus der Ansprache von Papst Franziskus
auf der Schlusssitzung der „rencontres méditerranéennes“
Marseille, 23. September 2023
Friedensappell auf dem 37. Internationalen Friedenstreffen von Sant’Egidio
Berlin, 12. September 2023
Erklärung des „Runden Tisches der Religionen in Osnabrück“ zum Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023
Osnabrück, 20. Oktober 2023
Auszug aus der gemeinsamen Erklärung zur Begegnung zwischen der DBK und des KRM
Langen, 8. November 2023
Erklärung des Globalen Rats der Imame zur Verurteilung der Hamas
Nadschaf, 9. Oktober 2023
Auszug aus der Fatwa F02301 des Islamischen Fatwa Rats
Nadschaf, 9. März 2023
Berichte
Studienreise der RWTH Aachen in Zusammenarbeit mit MISSIO Aachen in das
Sultanat Oman, 28. Mai – 3. Juni 2023
Simon Franz Nikolaus Gresser
Spiritual Care in Times of War and Displacement. Interdisziplinäre Tagung,
Tübingen, 17.–19. September 2023
Georg Wenz, Mahmoud Abdallah und Thomas Dreher
Die zeitgenössische Kunst als Segment im interreligiösen Dialog.
Kolloquium und die Kunstausstellung „Abrahams Sprösslinge“,
Eichstätt, 10.–13. Oktober 2023
Martin Fuß
Christian Theology and the Dialogue with Islam. Hybrides Symposium
digital und in Bern, 3. November 2023
Miriam Schneider
Islamische Militärseelsorge – Erfahrungen und Perspektiven für Deutschland.
Fachtagung des Islamkollegs Deutschland,
Berlin, 4. November 2023
Carolin Brusky
Muslimfeindlichkeit. Konferenz zum Bericht des Unabhängigen Expertenkreises der Bundesregierung, Frankfurt a.M., 13. November 2023
Sabine Ahmadzai und Kübra Özcan
Buchbesprechungen
Khalfaoui, Mouez/Ehret, Jean (Hg.):
Islamische Theologie in Deutschland. Ein Modell für Europa und die Welt
Felix Körner SJ
Schiffer, Sabine:
Die Darstellung des Islams in den Medien. Sprache, Bilder, Suggestionen
Sebastian Prinz