Liebe Leserinnen und Leser,
die aktuellen Entwicklungen in den USA und Deutschland beobachte ich mit Sorge und Hoffnung zugleich. Die Präsidentschaftswahlen in den USA und der Wahlerfolg von Donald Trump werfen Fragen zur Stabilität demokratischer Grundwerte auf. Eine Politik, die Spaltungen fördert und populistische Töne anschlägt, hat weitreichende Auswirkungen nicht nur national, sondern auch global. Für den Dialog der Religionen ist es essenziell, in einer politisch gespaltenen Gesellschaft Räume zu schaffen, die Respekt und Verstehen fördern. In Deutschland beobachten wir unterdessen eine Regierung, die in turbulenten Zeiten mit Herausforderungen wie dem Ukraine-Krieg, Klimakrise, wirtschaftlicher Unsicherheit und sozialen Spannungen ringt und daran zerbrochen ist. Gerade hier sehe ich die Notwendigkeit, dass Werte wie Gerechtigkeit, Solidarität und interkulturelle Zusammenarbeit im Zentrum stehen müssen und nicht aus einer von Machtkalkül und eigenen Interessen geleiteten Parteipolitik zum Opfer fallen. In einer pluralen Gesellschaft ist es schwierig, eine gemeinsame Zukunftsvision zu formulieren. Doch trotz der Anstrengungen lohnt es sich, dranzubleiben, um gemeinsam Veränderungen anzustoßen, so wie es bei der Weltsynode der katholischen Kirche geschah. Es gibt in Deutschland viel Unzufriedenheit mit dem Abschlussergebnis, doch erste Schritte zu mehr Teilhabe sind gemacht. Das ist wichtig, denn der Dialog zwischen Religionen und Kulturen kann Brücken bauen und dazu beitragen, die gesellschaftliche Kohäsion zu stärken.
Ein starkes Zeichen für den interreligiösen Dialog und die Bedeutung von Frieden und Zusammenarbeit hat Papst Franziskus kürzlich mit seiner Reise nach Indonesien und Singapur gesetzt. In diesen Ländern mit großen religiösen und kulturellen Diversitäten betonte er die Wichtigkeit des gegenseitigen Respekts und der Geschwisterlichkeit. Seine Begegnungen mit religiösen Führern und jungen Menschen inspirierten viele, Brücken zwischen verschiedenen Glaubensgemeinschaften zu bauen. Dazu ermutigt auch die „Gemeinsame Erklärung von Istiqlal 2024“, die Papst Franziskus und der Großimam der Istiqlal-Moschee, Nasaruddin Umar, am 5. September in Jakarta unterzeichnet haben und die wir in dieser Ausgabe u. a. dokumentieren.
Die katholische Kirche in Deutschland hat die wichtigste Rechtsquelle des Kirchenrechts, die Grundordnung des kirchlichen Dienstes aus dem Jahr 2022, überarbeitet und dadurch auch die Einstellung von muslimischen Mitarbeitenden deutlich erleichtert. In der vorliegenden Ausgabe ordnet Ansgar Hense diese Entwicklung des Arbeitsrechts historisch und aus katholischer Perspektive ein. Jacob Joussen reflektiert mögliche Konfliktfelder, die bei muslimischen Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen auftreten könnten. Dietmar Schon beleuchtet die maronitische Patriarchalsynode 2003–2006 und fragt vor diesem Hintergrund nach Aus- und Einsichten für das christlich-islamische Gespräch im Libanon. In diesen weltpolitisch volatilen Zeiten erinnern uns die Worte des Propheten Jesaja („Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Speere zu Sicheln machen“, Jes 2,4) daran, dass Hoffnung und der Wille zur Veränderung eine friedlichere Zukunft möglich machen. Möge das neue Jahr 2025 eine bessere Zeit mit sich bringen, mögen Politik und Zivilgesellschaft gemeinsam Wege finden, um Spaltungen zu überwinden und den Frieden zu ermöglichen. Jede und jeder kann seinen Beitrag dazu leisten.
In diesem Sinne wünsche ich im Namen des Teams von CIBEDO allen Feiernden gesegnete Weihnachten und einen guten Start in das neue Jahr 2025
Ihr Timo Güzelmansur
INHALT
Studien
Einige Anmerkungen zur gegenwärtigen Lage des kirchlichen Arbeitsrechts – aus katholischer Perspektive
Ansgar Hense
Muslimische Mitarbeitende in kirchlichen Einrichtungen. Perspektiven aus dem kirchlichen Arbeitsrecht
Jacob Joussen
Hat interreligiöser Dialog im Libanon eine Chance? Einsichten der maronitischen Patriarchalsynode
2003–2006
Dietmar Schon OP
Dokumentation
Ansprache von Papst Franziskus auf der interreligiösen Begegnung vor der Istiqlal‑Moschee
Jakarta, 5. September 2024
Förderung des Einklangs der Religionen zum Wohl der Menschheit. Gemeinsame Erklärung von Istiqlal
Jakarta, 5. September 2024
Ausschnitt aus der Ansprache von Papst Franziskus zur interreligiösen Begegnung mit Jugendlichen
Singapur, 13. September 2024
Pressemitteilung der DBK zum multireligiösen Friedensgebet
Berlin, 20. September 2024
Berichte
Zwischen Konflikt und Dialog? Jüdisch‑Muslimische Beziehungen in Deutschland in Krisenzeiten.
Fachtag in Heidelberg und digitale Ringvorlesung, 6. März – 17. Juli 2024
Merle Plachta und Elvira Bijedic
Anthropologie der Digitalisierung: Chancen und Herausforderungen von künstlicher Intelligenz für die christliche und islamische Theologie. Ringvorlesung an der
Universität Paderborn im Sommersemester 2024
Johannes Grössl und Idris Nassery
Junge Muslime unterwegs auf dem 103. Katholikentag. Erfurt, 29. Mai – 2. Juni 2024
Uroosa Ahmed, Sevde Akbaba und Büşra Çebi
Vom eins Werden und zwei Bleiben – religionsverbindende christlich-muslimische Ehen und Partnerschaften. Bericht über die 11. CIBEDO-Werkstatt, Frankfurt a.M., 25.–26. Oktober 2024
Muhammed Mansur Doğan
Buchbesprechung
Hidalgo, Oliver/AmirMoazami, Schirin/ Baudner, Jörg (Hg.):
Islampolitik und Deutsche Islam Konferenz.
Theoretische Diskurse – Empirische Befunde – Kritische Perspektiven
Sebastian Prinz
Religions for Peace Deutschland e.V./Stiftung Weltethos/Bundeskongress der Räte der Religionen/
Forum der Religionen im Kontext (Hg.):
Interreligiöse Initiativen in Deutschland. Ein Wegweiser
Michael A. Schmiedel