„Der interreligiöse und interkulturelle Dialog zwischen Christen und Muslimen darf nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert werden, denn er ist eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt.“ Mit diesen Worten von Papst Benedikt XVI. bekräftigte der Vorsitzende der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke (Hamburg), das verpflichtende Bekenntnis der katholischen Kirche weltweit zum Dialog mit dem Islam bei einer Begegnung mit Großimam Dr. Ahmad at-Tayyib, Scheich der ehrwürdigen al-Azhar-Universität Kairo, am gestrigen Abend im Katholischen Büro in Berlin. An der Begegnung nahmen auch der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović, der Botschafter der Republik Ägypten, Badr Ahmed Mohamed Abdelatty, der Münsteraner Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide sowie die Vertreter der Bevollmächtigten der katholischen und der evangelischen Kirche bei der Bundesregierung und weitere Experten der evangelischen und orthodoxen Kirchen teil.
Weihbischof Jaschke erinnerte an Lernerfahrungen der Christen in ihrer Geschichte: Kirche und Staat stellten zwei Ordnungen dar, die sich gegenseitig begrenzen. Besondere Aufmerksamkeit lenkte er auf die vor 50 Jahren verabschiedete Konzilserklärung Nostra aetate, in der die katholische Kirche ihr Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen dargelegt hat. Dem Zweiten Vatikanischen Konzil zufolge sind Christen den Muslimen in Hochachtung verbunden, in der Anerkennung ihrer Frömmigkeit und ihres Gottesglaubens. Auch habe die katholische Kirche auf dem Konzil ein eindeutiges Bekenntnis zur Religionsfreiheit abgelegt: „Jeder Mensch muss das Recht haben, sich frei zum Glauben zu bekennen.“
Weihbischof Jaschke unterstrich die bleibende Notwendigkeit des Dialogs zwischen Christen und Muslimen: „Dialog auf allen Ebenen schafft die Voraussetzung für gegenseitiges Verständnis und die Überwindung von Vorurteilen.“ Christen und Muslime seien verpflichtet, sich öffentlich und entschieden gegen jede Form von Gewalt auszusprechen. „Wir sind gemeinsam in der Pflicht, eine Friedensmacht zu sein, die die Herzen der Menschen erreicht und Versöhnung stiftet. Die heilige Pflicht zum Dialog muss über allem stehen“, so Weihbischof Jaschke. Auch Großimam at-Tayyib bekannte sich zur Friedensaufgabe von Islam und Christentum: „Unsere beiden Religionen müssen gemeinsam als Friedensstifter wirken. Erst wenn die Religionen untereinander in Frieden leben, können auch die Völker in Frieden leben.“
In der Begegnung wurde auch die Rolle der Muslime in Deutschland erörtert. Die christlichen Teilnehmer nannten es ein „Herzensanliegen, dass die Muslime in gleicher Weise an der deutschen Gesellschaft teilhaben können wie die Christen“. Ein wichtiger Baustein dafür sei die Einrichtung islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen.
Hintergrund
Der oberste ägyptische Imam ist traditionell der Leiter der Moschee der al-Azhar und gemäß einem Gesetz aus dem Jahr 1961 zugleich – mit dem Titel Scheich al-Azhar – geistliches Oberhaupt der Gesamtkörperschaft der al-Azhar, zu der der Oberste Rat der al-Azhar, die Akademie für islamische Untersuchungen, das Amt für Kultur und Islamische Studienmissionen und die al-Azhar-Universität gehören. Die Universität verfügt in Ägypten über zahlreiche Einrichtungen mit 43 theologischen und weltlichen Fakultäten für männliche Studenten und 26 Fakultäten für weibliche Studenten mit insgesamt rund 375.000 Studierenden. Hinzu kommt ein landesweites Netz von rund 7.000 Grund- und Oberschulen mit über einer Million Schülern.
Professor Dr. Ahmad at-Tayyib, der von 2002 bis 2003 bereits Großmufti der Republik Ägypten war, wurde am 25. Oktober 2010 von Präsident Hosni Mubarak zum Großimam und Scheich al-Azhar ernannt.
At-Tayyib hält sich derzeit zu Gesprächen mit Vertretern aus Politik und Kirchen in Deutschland auf. Am 17. März 2016 wird er gemeinsam mit Weihbischof Jaschke zu einer Konferenz der Weltreligionen an der Universität Münster erwartet, um in der Stadt des Westfälischen Friedens über das Friedenspotential der Religionen zu sprechen.